Erst Anfang der Woche ließ eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln aufhorchen: Sie bescheinigte Österreichs verarbeitendem Gewerbe im internationalen Vergleich sehr wettbewerbsfähige Produktionskosten.

Internationale Unternehmen machen trotz der heftigen Diskussionen um die sinkende Wettbewerbsfähigkeit des Standortes zumindest keinen großen Bogen um Österreich. Die zum Wirtschaftsministerium gehörende Austrian Business Agency ABA-Invest holte im Vorjahr 297 neue internationale Firmen nach Österreich, acht Prozent mehr als 2014. Die Investitionssumme war mit 496 Millionen Euro sogar um 34 Prozent höher als 2014. Laut ABA waren damit 2.613 (2014: 2.645) neue Jobs verbunden. 

103 Ansiedlungen aus Deutschland

"Ausländische Unternehmen halten den Standort Österreich für besser als wir selbst," sagt ABA-Chef Rene Siegl. Der Projektstand für das laufende Jahr sei mit 755 betreuten Unternehmen so hoch wie noch nie in der 30jährigen Geschichte der ABA. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sieht in der ABA-Bilanz ein "positives Signal" für gestiegenes Vertrauen internationaler Investoren und  "Ansporn für weitere Reformen".

Die meisten Neuansiedlungen kommen mit 103 Unternehmen aus Deutschland, obwohl gerade dort die Debatte über Österreichs Wettbewerbsfähigkeit besonders intensiv verfolgt wird, wie Siegl bestätigt. Sie nahmen mit 343 Millionen Euro auch das meiste Geld für ihre Gründungen in die Hand.

Warum nach Österreich?

Was zählt am meisten bei den Unternehmen, die sich für ein Firmenstandbein in Österreich interessieren? "Die Osteuropakompetenz, die Stabilität und Berechenbarkeit des Landes und die Qualität der Mitarbeiter," so Siegl. Für einige Investoren sei die Erhöhung der Forschungsprämie wichtig gewesen. Dass nun auch Bürokratieabbau und Deregulierung politisch vorangetrieben werde, sei erfreulich.

Oft sind es kleine Unternehmen, Vertriebs- oder Servicebüros, die kommen. In St. Veit an der Glan siedelte sich Nittoku, japanischer Hersteller elektronischer Wickelmaschinen, mit seiner Europazentrale an. Kärnten war mit 36 Ansiedlungen nach Wien das Bundesland mit den meisten Neuansiedlungen, was natürlich wenig über deren Größe sagt. 16 Unternehmen kamen in die Steiermark.

Zugkraft verloren

Was aus den ABA-Zahlen nicht hervorgeht, wie viele der einstigen Neuansiedlungen Österreich wieder den Rücken gekehrt haben. Der Chef der Deutschen Handelskammer (DHK) in Wien, Thomas Gindele, will jedenfalls nicht in den Jubelchor einstimmen. Österreich sei noch immer einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Deutschlands, "aber bei weitem nicht mehr so, wie das einmal war".

Die DKH in Österreich hat immerhin 1.500 Mitglieder, Gindele bekommt viel zugetragen. "Österreich hat sehr wohl an Zugkraft eingebüßt," sagt er. Vor allem, weil das Wachstum fehle, der Konsum stagniere. "Zumindest ist die Lage so gewesen, dass viele Unternehmen ihr Engagement nicht verstärkt haben." Auch eine Zahl der Nationalbank aus dem Jahr 2014 müsse zu denken geben: Demnach ist rund eine Milliarde Euro von Deutschen aus Österreich abgezogen worden. "Es gibt aber die berechtigte Hoffnung, dass 2016 die Stimmung wieder besser wird," so Gindele.

500 Millionen Investition

Ein Beispiel, dass Österreich im internationalen Standortwettbewerb sehr wohl punkten könne, sei der Pharmahersteller Boehringer-Ingelheim, der immerhin rund eine halbe Milliarde Euro in den Bau einer völlig neuen Produktion in Wien investiere, die 2021 in Betrieb gehen soll. Im Standortmatch gegen Deutschland, Irland und  Singapur hatte auch die im Vorjahr erhöhte staatliche Förderprämie eine zentrale Rolle gespielt.

In den ABA-Zahlen spielt diese Großinvestition keine Rolle, weil Boehringer schon seit Jahrzehnten ein großes Werk und Forschungszentrum in Wien hat.