In Deutschland hat die technische Prüforganisation TÜV Nord wegen der Volkswagen-Abgasaffäre die deutsche Regierung kritisiert. Sie habe den Prüfern auf Drängen der Automobilindustrie untersagt, die Motorensoftware zu untersuchen.

"Wir haben leider gesetzlich keinerlei Möglichkeit, Einblicke in die Motorsteuerung und die dort verbaute Software der Fahrzeuge zu nehmen", sagte TÜV-Nord-Chef Guido Rettig der Zeitung "Die Welt" (Montagausgabe) laut Vorausbericht. "Aus diesem Grund hatten unsere Sachverständigen keine Chance, die Manipulationen bei Stickoxiden von Dieselfahrzeugen zu erkennen."

Die technischen Dienstleister plädieren nach Rettigs Worten seit Jahren dafür, den Prüfauftrag auch auf die Motorensoftware auszudehnen. Die Autoindustrie habe dies mit dem Argument abgelehnt, es handle sich um Betriebsgeheimnisse. Die zuständigen Bundesministerien hätten im Sinne der Autokonzerne entschieden.

Verwunder über CO2-Werte

Verwundert äußerte sich Rettig über die jüngsten VW-Äußerungen zu geschönten CO2-Werten bei Benzinern. "Wir haben Rollenprüfstände, Verfahren und Ergebnisse noch einmal überprüft und können keine fehlerhaften CO2-Messungen bestätigen: Weder bei uns noch bei VW", sagte der Vorstandsvorsitzende. "Es ist für mich ein absolutes Rätsel, wo VW Abweichungen festgestellt haben will."

Von der Abgasaffäre sind vor allem Millionen Dieselautos betroffen. Die Fahrzeuge wurden mit Software ausgestattet, mit der die Abgaswerte bei Tests manipuliert werden können.

Regierung verärgert

Dagegen hieß es am Montag aus Regierungskreisen in Berlin: "Wenn über eine Weiterentwicklung der Prüfsysteme nachgedacht wird, dann sicherlich nicht in der Richtung, den TÜV Nord zu stärken - der TÜV Nord muss erst einmal eigene Versäumnisse erklären." Laut einem Sprecher des Verkehrsministeriums wurden Vertreter des TÜV Nord für Dienstag in die wegen des VW-Abgas-Skandals von Minister Alexander Dobrindt (CSU) einberufene Untersuchungskommission bestellt.

"Wir wollen vom TÜV wissen, wieso die falschen CO2-Werte bei Volkswagen nicht erkannt worden sind", sagte der Sprecher. "Dieser Punkt hat mit der Motorsteuerung nichts zu tun. In dem Interview steht dazu nichts - wir erwarten darauf aber Antworten." Deutschland unterstütze die Weiterentwicklung der Prüfverfahren seit Jahren. Die EU-Staaten hätten sich Ende Oktober auf deutsche Initiative auf ein tragfähiges Ergebnis zu solchen neuen Prüfverfahren geeinigt.

Als "schallende Ohrfeige für die Bundesregierung" bezeichnete der Vize-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, Rettigs Kritik: "Die Prüfbehörde bestätigt die jahrelange Kumpanei zwischen Bundesregierung und Automobilbranche." Dobrindt werde immer stärker zum Problem inmitten der Aufklärung. "Es darf nicht sein, dass das Verkehrsministerium Prüfern verbietet, die Motorsoftware zu untersuchen - nur weil die Automobilindustrie darum bittet."

Kritik kam auch von der Fraktion der Linken. Deren verkehrspolitische Sprecherin Sabine Leidig sprach mit Blick auf Rettigs Äußerungen von einem "weiteren Skandal im ganzen Abgas-Sumpf".