Gerade kommen Sie von anderen Kontinenten, wo Sie sich weiter mit der globalen Start- up-Szene vernetzen. Welche Eindrücke bringen Sie mit?
ANDREAS TSCHAS: Wir eröffnen gerade ein Office in Tokio. Faszinierend, was in Asien abläuft. Coworking Spaces werden von den Regierungen aus dem Boden gestampft. Hongkong und Singapur positionieren sich als Hubs für Start-ups, denn 80 Prozent der neuen Jobs werden von Firmen geschaffen, die jünger als fünf Jahre sind. Wir wollen für spannende Start-ups die Brücke von und nach Europa aufbauen.
JÜRGEN FURIAN: Ich war gerade in Belo Horizonte, Brasiliens Biotechzentrum. Die Regierung nahm für 17 Accelerator, Gründer-Brutstätten, massiv Geld in die Hand für die Start-up-Szene.
Start-ups sind der Hype, geradezu sexy als Firmen. Wie erlebten Sie beide Silicon Valley, wo Start- ups fürs große Geld eine Milliarden-Fantasie vorstellen müssen?
FURIAN: Das Besondere ist der Kreislauf. Dort geht es nicht um reinen Kapitalismus und dass man reich wird. Es ist total emotional, wenn man ein Unternehmen aufbaut und dann verkauft. Das sieht man am erfolgreichen Verkauf von Runtastic. Die investieren in das nächste Start-up.
TSCHAS: Mit den Runtastic-Gründern haben wir jetzt genau fünf Leute in Österreich, die wissen, wie das abläuft. In Silicon Valley gibt es Hunderte, die das schon gemacht haben. Das ist der Vorteil, dass man dort gelernt hat, groß zu denken und große Geschichten zu erzählen. In Österreich wird lange überlegt: Starten wir einmal? Die Jungs von Runtastic dachten global.
FURIAN: Man muss auch bei uns offen sein für größere Dinge. Wenn in Klagenfurt drei Techniker sitzen und mit Bitmovin (streamen mit ihrer Technik Youtube-Videos) globales Aufsehen erregen, dann können andere auch denken, das zu schaffen.
Wo stehen wir in Österreich?
TSCHAS: Es wurde jetzt eine Studie veröffentlicht über die 20 größten Start-up-Städte und die 40 aufstrebendsten. Schade, dass Wien nicht dabei war. Weltweit führen Silicon Valley und New York, in Europa Amsterdam, London, Paris, Helsinki. Es hat sich in den letzten Jahren bei uns schon etwas für Start-ups getan. Ich will aber nicht nur in Richtung Politik schießen. Wir müssen in Österreich unsere Rolle finden und uns auf ein Thema konzentrieren.
Was könnte das sein?
TSCHAS: Life Sciences wäre ein irrsinnig spannender Bereich. Zuerst hat sich die Medienszene revolutioniert, jetzt ist die Finanzbranche dran und wir glauben, dass der Life-Sience-Bereich sehr stark kommt. Synthetische Biotechnologie wird die nächsten zehn bis 15 Jahre am meisten Impact haben.
Was macht die Biotechnologie für Start-ups spannend?
FURIAN: Der Ursprung liegt in der Demokratisierung der Technologie. Leistungsstarke Prozessoren konnten sich früher nur Großkonzerne leisten, jetzt hat jeder Handy, iPad, Laptop. Das Gleiche passiert in der Biotechnologie, nur viel schneller als in der IT. Es braucht zehn Jahre und Milliarden für jede Pille, aber es wird darunter einen Bereich geben, die man als Einzelner angehen und tolle Dinge bauen kann.
Für die meisten Gründer ist Sinnerfüllung das wichtigste Motiv. War das auch für Sie Thema?
TSCHAS: Wir wollten Probleme lösen, die junge Leute haben, daraus wurde ein Geschäftsmodell.
FURIAN: Uns ging es nicht um Internet-Turbokapitalismus. Wir wollten als Pioneers neue Wege gehen. Der ergreifendste Moment beim Pinoneers Festival war, als eine Frau im Rollstuhl auf die Bühne kam, sich ein Exoskeleton anschnallte. Es war total still im Saal, als sie durch den Raum ging. Noch größer, als zu gehen, war für sie, auf Augenhöhe mit allen anderen zu sein.
Wie ging es Ihnen selbst als Start-up mit Hindernissen?
TSCHAS: Ganz lustig. Wir wollten die Firma STARTeurope nennen, waren schon in sieben Ländern aktiv. Die Wirtschaftskammer aber sagte, für Europa seid ihr nicht international genug, da haben wir die JFDI gegründet.
Heißt was?
TSCHAS: (Lacht) Das heißt Just fuck it, do it. Die Kammer hatte nichts gegen die JFDI GmbH, so heißen wir heute noch.
Sie begannen zu zweit, haben nun 35 Mitarbeiter aus 13 Ländern. Was genau ist Ihr Business?
TSCHAS: Wir sind special relationship builder. Wir stellen Beziehungen zwischen Start-ups, Corporates und Investoren her.
FURIAN: Und wir wollen die Erfolgsquote der Start-ups deutlich erhöhen. Da setzen wir auf ein Riesennetzwerk auf.
Wie brachten Sie in kurzer Zeit 3000 Leute aus aller Welt auf das Pioneers Festival nach Wien?
TSCHAS: Wir wollten nach der Uni was Sinnvolles machen. Unsere erste Initiative hieß STARTvienna, eine Konferenz mit 28 Start-ups. Wir hatten kein Budget, wir hatten nichts. Aber wir sahen, dass wir Menschen helfen können, ihre Ideen weiterzuentwickeln. Ab da haben wir zwei Jahre lang von Athen bis Helsinki, von Bukarest bis Porto solche Veranstaltungen gemacht. Da hießen wir STARTeurope. Irgendwann kam der Punkt: Wir müssen global denken. So entstand Global Pioneers gleich mit 2500 Leuten, dann 3000 – Startups, Investoren, Profis aus Silicon Valley. Im Mai kommt unser fünftes Festival. Da geht es von der App bis zum Raumfahrtunternehmen. Das kann heute jeder Kleine angehen.
In Österreich gibt es im Jahr rund 15.300 Gründer. Viele haben Angst vorm Scheitern. Sie auch?
FURIAN: Klar. Aber es gibt Länder, da ist es noch schlimmer. In Japan ist man stigmatisiert.
30 Prozent der Jungunter überleben die ersten drei Jahre nicht.
TSCHAS: Ab einer gewissen Größe, wo man Mitarbeiter einstellt, wird es kritisch. Wir haben nur Leute geholt, die wir wirklich benötigten. Je größer die Start-up-Szene wird, desto mehr wird geschätzt, was die machen. Wer heute scheitert, kann schon in anderen Start-ups mitmachen.
Das Wichtigste für Start-ups ist die Finanzierung. Wie ging das?
TSCHAS: Mit Selbstausbeutung. Unser Financier war der Bankomat, die ersten zwei Jahre zahlten wir nur hinein. 2011 trafen wir den Financier Johann Hansmann, AWS half mit Förderung.
Holt Österreich mit dem neuen Crowdfunding-Gesetz auf?
TSCHAS: Es ist ein erster Schritt.
Speedinvest sammelt mit euch gemeinsam Geld für Start-ups ein.
FURIAN: Wir waren beim Fundraising dabei. Der neue Fonds ist mit 58 Millionen Euro dotiert.
TSCHAS: Am Ende wird es mehr. Wir geben dem Fonds für unser Start-up-Netz die Empfehlungen.
Welche Signale kann Österreich an globale Investoren senden?
FURIAN: Am besten Erfolgsgeschichten. Wir haben vom letzten Pinoneers Festival das All-Time-High-Video für CNBC geschafft. Wir fliegen Topstars aus Silicon Valley, wie den Gründer von Siri, ein. Mit Pioneers Ventures wollen wir selbst Start-ups zum Durchstarten helfen.
Wo steht Pioneers 2020?
FURIAN: Wir wollen weltweit die Nummer 1 sein, wenn es darum geht, die richtigen Beziehungen für Start-ups herzustellen.
INTERVIEW: ADOLF WINKLER