Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen der EU mit den USA, bekannt unter dem Akronym TTIP, macht sich in Europa große Ernüchterung breit. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) betont jetzt, „notfalls Nein“ zu TTIP zu sagen: „Lieber gibt es keinen Deal als einen schlechten.“ Auslöser ist der Letztstand der Verhandlungen, die im Februar 2016 fortgeführt werden.

USA bleibt zurück

Die EU habe beim Thema Zollfreistellungen deutlich mehr auf den Tisch gelegt als die USA – fast 97 Prozent der Produktgruppen, gegenüber den USA, die bei 67 Prozent verharrten. Rupprechter fürchtet, dass es in den Agrarverhandlungen „in Richtung eines finalen Diktats“ gehen könnte. Dies sei „für uns nicht akzeptabel“, wobei sich etliche andere europäische Staaten – darunter Frankreich und Italien – Österreich angeschlossen hätten.
Den Unmut nährt auch eine Rupprechter vorliegende Studie, wonach sich die USA Verbesserungen der Exportmöglichkeiten im Ausmaß von umgerechnet 5,13 Milliarden Euro erwarten könnten, die EU dürfe hingegen nur mit 747 Millionen Euro rechnen.

Widerstand aus roten Reihen

Mit viel Skepsis verfolgen auch SPÖ-Abgeordnete im EU-Parlament in Brüssel die Verhandlungen mit den USA. Ihnen missfallen aber andere Punkte als Rupprechter. „Sollte es bei den ISDS-Klauseln bleiben, müssen wir raus“, sagt Karoline Graswander-Hainz, die im Juni Jörg Leichtfried im Handelsausschuss des Parlamentes folgte. Sie ist vehement gegen Schiedsgerichte, die Konzernen ein Feld für Klagen gegen Staaten öffnen würden.
Widerstand gebe es ebenso, sollte eine Privatisierung der Daseinsvorsorge (etwa Wasser, Gesundheitswesen, Müllentsorgung) kommen. „Wir verlangen eine Positivliste, was liberalisiert werden darf, und keine Negativliste, die Ausnahmen festhält.“

„Es kommt maximal TTP“

EU-Abgeordnete Karin Kadenbach fürchtet um EU-Arbeitnehmerstandards: „Der Marktdruck könnte mit TTIP steigen, wenn billig produzierte US-Produkte auf den EU-Markt kommen.“ Als vorbildlich sieht Kadenbach das Freihandelsabkommen der EU mit Japan, das nicht so weitreichend sei wie die Pläne zu TTIP. Kadenbach glaubt zwar, dass es „am Schluss irgendeine Art von Abkommen“ geben werde, „aber es wird ganz anders sein“ als das, was bisher vorliege. „Es wird wohl ein TTP kommen, das I wird wegfallen.“ Hinter dem „I“ in TTIP steckt der Investorenschutz, der, vermutet Kadenbach, „nicht drinbleiben wird“.
Nicht halten werde auch der Zeitplan, meinen Kadenbach und Graswander-Hainz unisono: „Die USA wollen bis zur Wahl im November 2016 abschließen.“ Europa habe hingegen „alle Zeit“. Graswander-Hainz kommt zu einem ähnlichen Schluss wie Minister Rupprechter: „Zum jetzigen Zeitpunkt kann man TTIP nicht zustimmen.“

UWE SOMMERSGUTER, BRÜSSEL