Die Europäische Zentralbank (EZB) steuert Insidern zufolge auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik zum Jahresende zu. "Ein Schritt im Dezember ist wahrscheinlich," sagte ein hochrangiger Notenbanker, der nicht genannt werden wollte der Nachrichtenagentur Reuters. EZB-Präsident Mario Draghi ist nach Einschätzung weiterer Vertreter der Zentralbank vorige Woche ein Kompromiss gelungen.

Einerseits habe Draghi diejenigen Notenbanker in Schach gehalten, die eine sofortige weitere Lockerung der Geldpolitik wünschten. Zugleich habe er aber klar die Erwartung für geldpolitische Schritte auf der Ratssitzung Anfang Dezember geschürt.

Bei ihrem Treffen auf Malta haben die Ratsmitglieder demnach bereits eine Bandbreite an möglichen geldpolitischen Maßnahmen besprochen. Die allgemeine Sichtweise sei gewesen, dass statt des einen oder anderen Einzelinstruments ein Paket aus mehreren Schritten wirken könnte. Die EZB-Währungshüter stehen unter Druck: Denn trotz ihres seit März laufenden Anleihen-Kaufprogramms zur Ankurbelung von Konjunktur und Preisen im Volumen von monatlich rund 60 Mrd. Euro, will sich die Inflation partout nicht von Werten um die Nulllinie wegbewegen. Im September fiel die Teuerung sogar um 0,1 Prozent - die EZB strebt aber eine Inflation im Währungsraum von knapp unter zwei Prozent an, da sie die als optimal für die Wirtschaft erachtet. Sinkende Preise auf breiter Front gelten als gefährlich, weil damit die Wirtschaft in einen lähmenden Abwärtssog geraten könnte.

Einige einflussreiche Notenbanker hätten argumentiert, dass die EZB-Bilanz immer noch relativ klein sei - etwa im Vergleich zur US-Notenbank, sagte einer der Insider. Zudem zeige der noch deutlich stärker negative Einlagenzins in Dänemark, dass es bei den Strafzinsen für Banken - wenn diese bei der EZB Geld parken - noch Luft gebe. Der Satz in der Eurozone liegt aktuell bei Minus 0,2 Prozent. Einem weiteren Insider zufolge besitzt die EZB allein bei den Anleihen-Käufen noch erheblichen Spielraum. Dazu kämen Unternehmensbonds oder mehr Titel supranationaler Institutionen; selbst Aktien seien eine Möglichkeit.

Nicht bei allen Notenbankern finden die Anleihenkäufe aber Anklang. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann beispielsweise stand den bisher auf 1,14 Billionen Euro angelegten Wertpapierkäufen von Anfang an sehr kritisch gegenüber. Weidmann hatte sich erst unlängst klar gegen eine Ausweitung der Geldspritzen ausgesprochen. Sollten die Euro-Wächter die Geldschleusen weiter öffnen, dürfte es zudem schwerer werden, nochmals nachzulegen.

An den Finanzmärkten wird unterdessen Draghis Kommunikationspolitik gelobt. "Die EZB ist wirklich zu einem Meister der Kommunikation geworden: Die Märkte anzuleiten, um dann mehr zu liefern", schreibt etwa UniCredit-Chefvolkswirt Erik Nielson. Vergangene Woche habe es der EZB-Chef mit seinen Aussagen schon vorgegeben. Dass dann weniger folge, gebe es bei der EZB gewöhnlich nicht. Draghis Kommunikation steht derzeit in scharfem Kontrast zur US-Notenbank Federal Reserve, die am Mittwochabend ihren Zinsentscheid verkünden will. In den USA sendeten Top-Notenbanker der Fed zuletzt unterschiedliche Signale, ob noch 2015 mit der angekündigten ersten Zinserhöhung seit fast zehn Jahren zu rechnen ist.