Das EU-Parlament hat am Dienstag in Straßburg die endgültige Abschaffung der Roaming-Gebühren ab Juni 2017 mit breiter Mehrheit beschlossen. Konkret dürfen ab Mai 2016 die Roaming-Gebühren fünf Cent je Minute für Gespräche und zwei Cent je SMS nicht überschreiten, ab 15. Juni 2017 werden sie überhaupt auslaufen.

Das Gesetz war im Vorfeld der Abstimmung in Kritik geraten. Datenschützer sehen darin die Aushölung der Netzneutralität - der fairen Behandlung aller Internetkunden und -dienstleister.

Spezialdienste

Zwar verpflichtetdas neue Gesetz die Anbieter von Internetzugangsdiensten formal dazu, den gesamten Verkehr bei der Erbringung solcher Dienstleistungen gleich zu behandeln. Allerdings enthält das Gesetz auch eine Ausnahmebestimmung. Sogenannte "Spezialdienste" könnten bevorzugt werden. Die Kommission denkt dabei an Rettungsdienste, die im Katastrophenfall mit schnellerem Internet versorgt werden könnten. Aktivisten sehen darin das Ende der Netzneutralität. Denn der Begriff "Spezialdienste" ist nicht näher definiert.

Internetunternehmer und selbst der "Erfinder des Internets", Tim Berners-Lee, befürchten einen großen Schaden für Europas Wirtschaft. Ihrer Ansicht nach könnten große Unternehmen sich eine bevorzugte Stellung im Internetverkehr erkaufen. Vor allem Videodienste brauchen eine hohe Bandbreite. Kleine Unternehmen könnten am Wettbewerb behindert werden, weil sie sich diese Sonderbehandlung nicht leisten können.

ÖVP begeistert

Der ÖVP-Europaabgeordnete Paul Rübig sieht das Roaming-Aus nur als ersten Schritt an, "jetzt braucht Europa einen digitalen Binnenmarkt". Notwendig sei auch eine starke Netzneutralität. Start-ups, KMU und die Zivilgesellschaft müssten genauso wie große Firmen freien Zugang zum Internet haben. Mit den detaillierten Regeln sei die EU nun Vorreiter, freute sich Rübig über diese "historische Entscheidung für Freiheit, Offenheit und Innovationskraft des Internets".

Keinesfalls so euphorisch äußerte sich der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon. Die Netzneutralität werde durch die EU-Regelung sogar eingeschränkt. So werde Slowenien und den Niederlanden verboten, die besseren nationalen Regelungen anzuwenden. Tatsächlich sei das Roaming-Ende der Netzneutralität geopfert worden.