Im Abgasskandal hat es am Donnerstag eine Razzia bei Volkswagen gegeben. Am Vormittag seien in Wolfsburg und an anderen Orten Durchsuchungen durchgeführt worden, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Neben drei Staatsanwälten seien rund 50 Einsatzkräfte des Landeskriminalamtes im Einsatz gewesen.

Bei den unangekündigt durchsuchten Gebäuden handle es sich sowohl um Geschäftsgebäude des Volkswagen-Konzerns als auch um Privatgebäude sowie Wohnungen von VW-Mitarbeitern. Details würden aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit nicht mitgeteilt.

Ziel der Durchsuchungen sei es, Unterlagen und Datenträger sicherzustellen, die mit Blick auf "in Betracht kommende Straftatbestände" Auskunft über die genaue Vorgehensweise der an der Manipulation der Abgaswerte von Dieselfahrzeugen beteiligten Firmenmitarbeiter und deren Identität geben könnten.

"Wir werden die Staatsanwaltschaft bei der Ermittlung des Sachverhaltes und der verantwortlichen Personen nach besten Kräften unterstützen", sagte ein VW-Konzernsprecher der Deutschen Presse-Agentur. Im VW-Stammwerk in Wolfsburg sei den Ermittlern eine umfassende Dokumentensammlung übergeben worden. VW selbst hatte am 23. September Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig erstattet.

Unterdessen begann in den USA am Nachmittag die Anhörung von USA-VW-Chef Michael Horn vor dem US-Kongress in Washington. Horn sagte, er habe erst wenige Tage vor dem 3. September 2015 erfahren, dass VW-Fahrzeuge in den USA mit einer Software manipuliert wurden. Das sagte der Manager am Donnerstag unter Eid aus.

Von abweichenden Emissionstests habe er dagegen schon im Frühjahr 2014 erfahren. Damals habe er aber keinen Grund zu der Annahme gehabt, dass eine solche Betrugssoftware eingesetzt worden sei. Als durch eine Studie im Frühjahr 2014 bekanntgeworden sei, dass VW-Autos auf der Straße mehr Abgase ausstoßen als bei Tests auf dem Prüfstand, hätten ihm Experten im Konzern zugesagt, den Vorfall zu überprüfen.

Horn sprach von "extrem beunruhigenden Ereignissen". Er habe nie gedacht, dass dergleichen bei VW möglich sei und entschuldigte sich im Namen von VW vor dem Kongress.

Nach Informationen des Rechercheverbands um die "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR hat VW nicht nur in den USA, sondern auch in Europa systematisch manipuliert. VW habe "die Abgasnachbehandlung" in Europa "durch die Software offenbar gezielt zurückgefahren", sagte ein VW-Sprecher der "SZ". Dies sei "immer dann, wenn kein Prüfstand erkannt wurde" passiert. Die Abgasnachbehandlung bedeutet, dass Abgase durch ein Verfahren gereinigt werden. Auf Anfrage dementierte ein VW-Sprecher den Bericht am Donnerstagvormittag nicht, wollte aber zunächst keine weitere Stellung dazu nehmen.

Halbwahrheiten

Die "Wirtschaftswoche" berichtete am Donnerstag unter Berufung auf ein internes Dokument von einer Sprachregelung, in der Volkswagen seine Händler anhalte, Halbwahrheiten zu verbreiten. Demnach sollen Händler auf die Frage, welche Fehler von der Manipulations-Affäre betroffene Fahrzeuge aufweisen, antworten: "Das Fahrzeug weist keinen Fehler auf". Es würden lediglich "die EU5-Zulassungswerte der Stickoxide nicht eingehalten". Nach Ansicht von Verbraucherschützern sei dies aber nicht nur ein Fehler, sondern ein "klarer Mangel".

Zudem sollen Händler dem Bericht zufolge ausweichend auf die Frage antworten, ob die Autos nach der Reparatur im Rahmen eines Rückrufs andere Fahreigenschaften haben oder mehr Sprit verbrauchen. "Unser Ziel ist es, diesbezüglich keine Fahrverhaltensänderungen hervorzurufen", soll die Sprachregelung lauten. Tatsächlich könnten aber Dieselautos mit 1,2 und 1,6 Liter Hubraum, nach dem Rückruf ein anderes Fahrverhalten aufweisen.

Mitte September war bekannt geworden, dass VW Abgaswerte von Dieselfahrzeugen durch eine Software manipuliert hatte, die bei Tests zu einem niedrigeren Schadstoffausstoß als im Normalbetrieb führte. Insgesamt elf Millionen Fahrzeuge sind weltweit betroffen - acht Millionen davon in Europa.

(Schluss) tsk/cs ~