Neben der sechsten Urlaubswoche lehnt die Wirtschaftskammer auch das im Regierungsprogramm von SPÖ und ÖVP stehende Bonus-Malus-System für ältere Arbeitnehmer ab. WKÖ-Präsident Christoph Leitl zweifelt, dass mit einer Strafe Arbeitsplätze geschaffen werden, wie er am Samstag in der ORF-Radioreihe "Im Journal zu Gast" sagte. Die geplante Arbeitsmarktreform scheint damit vorerst nicht umsetzbar.

"Ich verlange, dass man zuerst das macht, was unbedingt notwendig ist: Erstens ein Wirtschaftsimpuls, zweitens ein Belastungsstopp und Entlastung und drittens die Frage, wie gehen wir mit Asyl um", sagte Leitl in dem Interview. Vordringlich sei die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt. "Viele Menschen fragen sich: Und, was passiert jetzt?", so Leitl. "Wenn wir da jetzt keine Antwort geben, sondern sagen, kann man mit Malus irgendwas machen, dann sagen die Leut: 'San die deppert? Wo san die angrennt ?'"

"Mega-Problem"

Zur Ankurbelung der heimischen Wirtschaft forderte Leitl erneut eine Senkung der Lohnnebenkosten. Österreich erlebe das achte Jahr der Stagnation, so Leitl, der bei der Bewältigung der Krise auch auf den Handwerkerbonus und das Wohnbaupaket setzt. Gesprächsbereit über die sechste Urlaubswoche sei er "in zwei, drei Jahren, wenn wir tolle Zeiten haben". Auf "absehbare Zeit" werde die zusätzliche Urlaubwoche für alle, die 25 Jahre arbeiten, aber nicht kommen, erklärte Leitl.

Die aktuellen Flüchtlingsbewegungen bezeichnete er als "Mega-Problem", sein Wunsch sei, dieses auf "eine pragmatische Art und Weise" zu bewältigen. Wichtig sei die Frage, wie man die Flüchtlinge in die Gesellschaft miteinbinden könne - dass sie nicht nur versorgt werden, "sondern diesem Land nützlich sind". Zur Debatte um die Kosten sagte er, man wisse ja noch nicht einmal, wie viele Flüchtlinge im kommenden Jahr noch kommen werden. Die Aufwendungen für die Flüchtlinge seien jedenfalls umso geringer, "je mehr sie auch in Tätigkeiten, die für unser Land wichtig sind, integriert sind".

30.000 offene Stellen

Leitl erinnerte daran, dass das Arbeitsmarktservice wie auch des Wifo und des IHS darauf hingewiesen hätten, dass es derzeit rund 30.000 offene Arbeitsstellen gibt, die nicht besetzt werden können. "Qualifikationen abtesten, Sprache lernen und dort einsetzen, wo wir Österreicher keine eigene finden", so sein Rezept für zur Vermittlung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Arbeitserlaubnis will Leitl aber nur für bereits Asylberechtigte, Asylwerber sollen sich in gemeinnützigen Tätigkeiten engagieren.

Bei FPÖ und Grünen stoßen die Aussagen Leitls auf Kritik. Während FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl bei Leitl nur "heiße Luft" ortete, bezeichnete die Grüne Sozialsprecherin Judith Schwentner die Ablehnung des Bonus-Malus-Systems durch den WKÖ-Präsidenten als "nicht nachvollziehbar". 

FPÖ und Grüne gegen Leitl

Kickl ärgerte sich in einer Aussendung über Leitls "ewig gleiche Leier von Senkung der Lohnnebenkosten, Senkung der Gebühren, Senkung der Steuern und die Forderung nach Schaffung von Wirtschaftsimpulsen". Diese Forderungen würden seitens der ÖVP stets vor Wahlen kommen - "um dann sehr rasch wieder vergessen zu werden".

Schwentner verstand v.a. Leitls Nein zu einem Bonus-Malus-System nicht (mittels dem Unternehmen, die besonders viele ältere Personen über 50 Jahre beschäftigen einen Bonus, Unternehmen die ältere Arbeitnehmer kündigen, einen Malus bekommen sollen). "Betriebe, die mehr Menschen über 50 beschäftigen als im Durchschnitt der jeweiligen Branche, würden davon profitieren", so die Grüne Sozialsprecherin.