Dramatischer Kurssturz bei VW: Scharenweise haben sich die Anleger von ihren Volkswagen-Aktien nach Bekanntwerden der Affäre um Abgasmanipulationen in den USA und einer drohenden Milliardenstrafe getrennt. Das Papier brach bis zu Mittag um über 20 Prozent  auf rund  132 Euro ein.

Mit dem größte Kurssturz seit sechs Jahren verlor der deutsche Autokonzern knapp 17 Milliarden Euro an Börsenwert.

Krisengipfel in Deutschland

Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Volkswagen-Chef Martin Winterkorn beraten Regierungskreisen zufolge über den Skandal um die Manipulation von Abgaswerten durch den Konzern. Das Gespräch solle noch am Montag stattfinden, bestätigten zwei Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters.

Daran solle auch der Präsident des Kraftfahrtbundesamtes (KBA), Ekhard Zinke, teilnehmen. VW hatte eingeräumt, Abgaswerte von Diesel-PKW in den USA manipuliert zu haben. Das Verkehrsministerium äußerte sich zunächst nicht.

In den USA hat  Volkswagen die Notbremse gezogen und den Verkauf einiger Diesel-Fahrzeuge in den USA gestoppt. VW hatte zuvor Abgas-Manipulationen in den USA zugegeben, die eine Milliarden-Strafe nach sich ziehen könnten. Konzern-Chef Martin Winterkorn kündigte eine externe Untersuchung der Vorgänge an. Die US-Umweltschutzbehörde EPA wirft VW vor, bei knapp 500.000 Diesel-Fahrzeugen die Abgasvorschriften mit Hilfe einer Software vorsätzlich umgangen zu haben.

Manipulationen gestanden

Ein VW-Sprecher räumte am Sonntag auf Nachfrage ein, dass die Manipulationen in den USA stattgefunden haben. Winterkorn selbst hatte sich zuvor in einer Erklärung zu dem Fall geäußert. Direkt zugegeben hatte er die Vorwürfe der EPA aber nicht. "Die Geschehnisse haben für uns im Vorstand und für mich ganz persönlich höchste Priorität", heißt es in der Erklärung. Am Freitag wird er das auf der turnusmäßigen Sitzung des Aufsichtsrats genauer erklären müssen.

"Nicht mehr tragbar"

Winterkorn kann nach Meinung von Autofachmann Ferdinand Dudenhöffer angesichts des Abgas-Skandals  nicht im Amt bleiben.  Winterkorn habe entweder von den Manipulationen gewusst oder aber er sei ahnungslos und habe seinen Geschäftsbereich nicht im Griff, zitierte das manager magazin den Direktor des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen aus der "Frankfurter Rundschau". "In beiden Fällen würde ich sagen, dass Winterkorn an der Konzernspitze nicht mehr tragbar ist."

Ruf nach Konsequenzen

Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Kontrolleur Stephan Weil hat die manipulierten Abgastests bei Volkswagen in den USA scharf kritisiert. "Eine Manipulation von Emissionstests ist völlig inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen", sagte der SPD-Politiker, der als amtierender Regierungschef in Niedersachsen Mitglied im Präsidium des Aufsichtsrates von VW ist, am Montag in Hannover. "Es muss selbstverständlicher Anspruch des VW-Konzerns sein, die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten."

Neben dem Land Niedersachsen als zweitgrößter VW-Aktionär forderte auch der Betriebsrat die lückenlose Aufklärung der Vorwürfe. "Wir als Arbeitnehmervertreter nehmen die Vorwürfe sehr ernst und sind geschockt. Das muss jetzt mit aller Konsequenz und Offenheit aufgeklärt werden", sagte Betriebsratschef Bernd Osterloh dem Magazin "Stern". Es müssten Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen werden.

Die Vorsitzende des Umweltausschusses im Deutschen Bundestag, die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn, erklärte, eine "so umfassende Softwaremogelei" müsse mit dem Wissen der Führung in Wolfsburg passiert sein. "Alles andere würde mich wundern." Ihrer Auffassung nach könnten auch noch andere Automarken im Ringen um die Einhaltung von Abgasvorschriften in Europa und den USA bei Manipulationen erwischt werden. Sie würde sich darüber "nicht wundern".

Dabei wollte der Manager nach dem hässlichen Ringen an der VW-Spitze zur Internationalen Automobilausstellung IAA in Frankfurt vergangene Woche endlich Aufbruchsstimmung verbreiten. Doch am Freitag beendete die US-Umweltbehörde EPA jäh den Traum von der Rückkehr zur Normalität. Die Behörde wirft dem Autobauer vor, die Ermittlung von Abgaswerten seiner Dieselfahrzeuge manipuliert zu haben.

Fast eine halbe Million Autos sind betroffen, im schlimmsten Fall drohen Zahlungen von mehr als 18 Mrd. Dollar (16 Mrd. Euro). Für den Konzern könnte sich die Affäre zu einem ziemlich teuren Albtraum auswachsen. Und der könnte dem Ansehen der deutschen Vorzeigeindustrie insgesamt erhebliche Dellen zufügen.