Angesichts fallender Milchpreise lehnt EU-Agrarkommissar Phil Hogan die Wiedereinführung einer Quotenregelung zur Unterstützung von Bauern ab. "Wir stimmen alle überein, die Marktorientierung der gemeinsamen Landwirtschaftspolitik beizubehalten", sagte der aus Irland stammende Kommissar am Mittwoch in Brüssel. Auch der Deutsche Bauernverband lehnte eine neue Quote ab, forderte aber dringend Hilfe.

Die EU-Quotenregelung für Milch war am 1. April nach mehr als drei Jahrzehnten ausgelaufen. Sie sollte das Angebot begrenzen und damit die Preise sowie das Einkommen der Landwirte sichern. Wer die erlaubte Quote überschritt, musste eine Abgabe zahlen. Derzeit machen deutschen Bauern sinkende Preise für Milch zu schaffen. Die Nachfrage in einigen wichtigen Abnehmerländern wie China war zuletzt gesunken. Dazu kommt Russlands Agrarboykott gegen den Westen.

EU-Sondertreffen am 7. September

Bei einem Sondertreffen der EU-Landwirtschaftsminister am 7. September sollten Sofortmaßnahmen zur Hilfe von Bauern auf den Weg gebracht werden, kündigte EU-Kommissar Hogan an. Der Kommissar ging dabei nicht ins Detail - er habe noch nicht mit allen Ressortchefs gesprochen.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, forderte "konkrete Beschlüsse" von dem Treffen. Die miserable Lage auf den Agrarmärkten, ein schwieriges Erntejahr und stetig steigende Auflagen stellten die Landwirtschaft vor Herausforderungen, die allein durch unternehmerische Maßnahmen nicht zu bewältigen seien, teilte Rukwied nach einem Treffen mit dem deutschen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) mit. "Die Politik steht hier in der Verantwortung."

Die Wiedereinführung einer neuen Milchquote lehnt der Deutsche Bauernverband zwar ebenfalls ab, wie eine Sprecherin des Verbands sagte. Es mache keinen Sinn, zu dieser Regelung zurückzukehren. Stattdessen müsse man neue Absatzmärkte erschließen, zum Beispiel mehr Milch in bestimmte Länder Asiens exportieren. Molkereien müssten sich auch besser aufstellen, um sich dem Lebensmitteleinzelhandel entgegenzustellen.

Zuletzt bekam ein Landwirt in Deutschland durchschnittlich knapp 29 Cent pro Kilogramm Milch, das er verkauft hat. Das sind Zahlen vom Juni, wie die Sprecherin des Bauernverbands sagte. Ein Jahr zuvor seien es rund 9 Cent mehr im Durchschnitt gewesen.

Einkommenshilfen früher auszahlen

EU-Kommissar Hogan machte deutlich, dass Bauern vor allem in den neuen EU-Mitgliedsländern in der Mitte und im Osten Europas geholfen werden solle, insbesondere im Baltikum. Die Landwirte leiden dort besonders unter dem russischen Importverbot für westliche Lebensmittel. Allein Litauen hatte Hilfen für seine Bauern von 50 Mio. Euro gefordert.

Laut eines EU-Experten gibt es schriftliche Anfragen für Unterstützung von Landwirten unter anderem aus Polen, Tschechien, Ungarn, Litauen und Bulgarien.

Im Gespräch sei unter anderem, direkte Einkommenshilfen der EU an Landwirte früher auszuzahlen aus üblich, also beispielsweise schon Mitte Oktober statt Anfang Dezember, so der Experte. Laut Hogan fließen jährlich rund 56 Mrd. Euro aus dem EU-Budget für die europäische Landwirtschaft und die Nahrungsmittelbranche.

Kritik an Handelsketten

In Österreich fordert der Bauernbund angesichts des Preisverfalls bei Milch und Schweinefleisch von der heimischen Regierung die Einrichtung einer unabhängigen Agrarmarkt-Control zur Marktüberwachung. "Mit durchschnittlich 30 Cent Bauernmilchgeld produzieren die österreichischen Milchbauern derzeit auf Verlust", sagte Bauernbund-Präsident Jakob Auer am Mittwoch in Wien.

Scharfe Kritik äußerte der Bauernbund-Präsident an der Preispolitik der drei großen Handelsketten Spar, Rewe und Hofer. Ein Milch-Erzeugerpreis von mindestens 40 Cent/kg netto sei nötig, damit die österreichischen Bauern kostendeckend produzieren können. "Der Lebensmittelhandel diktiert die Preise nach unten", kritisierte Auer.