Es ist erst gut zwei Wochen her, da kündigte RWE-Chef Peter Terium einen Umbau des Konzerns an und wollte damit den schwächelnden Versorger in die Offensive bringen. Doch die Wirkung an der Börse ist längst verpufft, die Aktie abgestürzt. Investoren laufen in Scharen davon.

"Es geht ums Überleben", hatte der Chef der RWE-Kraftwerkstochter, Matthias Hartung, die Probleme wegen des Verfalls der Strom-Großhandelspreise schon vor Wochen auf den Punkt gebracht. Und die Schwierigkeiten reißen nicht ab, wie ein überraschender Gewinneinbruch bei der britischen Tochter zeigt. Das 1898 gegründete Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk steckt in einer der tiefsten Krisen seiner Geschichte. "Der Umbau kommt womöglich zwei Jahre zu spät", meint ein Insider. RWE ist in Österreich an der Kärntner Kelag beteiligt.

Risiko-Aktie

Die früher als Witwen- und Waisenpapier gehandelte Aktie wird zum Zockerobjekt. Seit Teriums Umbauankündigung hat das Papier fast ein Drittel an Wert verloren. Mit zeitweise nur noch 13,10 Euro notiert die Aktie auf dem tiefsten Stand seit mehr als zwei Jahrzehnten. Zwar geht es auch E.ON, dem zweiten großen deutschen Versorger, schlecht. Die Düsseldorfer profitieren aber von der Hoffnung, dass die 2016 geplante Konzernaufspaltung den Wert des Unternehmens steigern wird.

RWE-Anlegern drohen weitere Einbußen. "Das Geschäftsmodell ist auch wegen der Unsicherheit über die künftige Höhe der Dividende für viele Anleger kaum reizvoll", erläutert Thomas Deser, Portfolio-Manager bei der Fondsgesellschaft Union Investment. Nach Reuters-Daten liegen die Schätzungen der Experten für die Dividende 2015 im Schnitt bei 75 bis 85 Cent je Aktie. Einige rechnen nur mit 50 Cent. Für 2014 hatte RWE einen Euro gezahlt - für 2008 waren es noch 4,50 Euro.

Großaktionären wie den Städte Essen, Bochum und Dortmund drohen auch wegen des Kursverfalls hohe Abschreibungen, falls sie die RWE-Papiere noch zu höheren Notierungen in den Büchern haben. Ende 2007 war die Aktie knapp 100 Euro wert. Mit dem Kursverlust schwindet auch die Chance des Managements, dem Konzern über eine Kapitalerhöhung Luft zu verschaffen. "Eine Kapitalerhöhung macht bei diesen Kursen wenig Sinn", sagte ein Insider. Und auch ein arabischer Investor werde sich einen Einstieg zweimal überlegen. RWE hofft seit Monaten auf ein "Märchen aus dem Morgenland". Terium zufolge könnte sich ein Investor an Projekten beteiligen oder bei RWE einsteigen.

Übernahmeobjekt

Der Energieriese ist inzwischen billig zu haben. Der Börsenwert liegt mit gut 8 Mrd. Euro etwa bei dem Preis, den die Essener vor ein paar Jahren für den niederländischen Versorger Essent gezahlt haben. Spekuliert wird über eine Beteiligung eines arabischen Investors an der Ökostromtochter Innogy. Sie ist einer der wenigen Lichtblicke. Nach jahrelanger Verzögerung will sie 2015 dank neuer Windparks ihr operatives Ergebnis auf rund 400 Mio. Euro verdoppeln. RWE hatte die Energiewende verschlafen. 2014 stammte nur fünf Prozent des Stroms aus Erneuerbarer Energie. Den Löwenanteil stellen weiterhin Kohlekraftwerke.

Terium muss immer neue Brandherde löschen. In Großbritannien verpasste RWE dem Management den Laufpass, nachdem das Ergebnis der Tochter wegen des Kundenschwunds und Abrechnungsproblemen eingebrochen war. Kurzfristige Besserung ist nicht in Sicht. Zudem könnte dem Konzern weiteres Ungemach drohen. Sollte die Überprüfung der AKW-Rückstellungen durch die Wirtschaftsprüfer Warth & Klein Grant Thornton Lücken offenbaren, muss RWE zusätzliche Mittel für den Abriss seiner Meiler und die Müllentsorgung aufbringen. Die Geschäfte, die die Rückstellungen sichern, haben an Wert verloren. Wenn die Regierung mehr verlangt, seien RWE und E.ON womöglich zu Kapitalerhöhungen gezwungen, sagte der Portfolio-Manager des Vermögenverwalters APG, Martijn Olthof.

Hinzu kommt: RWE drücken Schulden von 25,6 Mrd. Euro. Terium bereitet die Beschäftigten bereits auf neue Einschnitte vor. "Die heutigen Entscheidungen unterstützen, dass wir Einsparungen erzielen können, das mag auch zu Stellenabbau führen", schrieb er den Mitarbeitern. Bereits in den vergangenen Jahren sind 13.000 Stellen weggefallen. In der Kraftwerkssparte, die wegen des Verfalls der Strom-Großhandelspreise 2017/18 kaum noch etwas verdienen könnte, droht der Abbau von 1.000 Jobs. "Die Mitarbeiter sind verunsichert", sagt ein Arbeitnehmervertreter. Der Sparkurs allein wird RWE nicht in die Erfolgsspur bringen. Ein Branchenexperte ist pessimistisch: "Terium kann Kosten sparen, bis es quietscht. Aber das wird nicht reichen. RWE kämpft im Moment schon ums Überleben."