In den ersten sechs Monaten 2015 haben wieder mehr Österreicher den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Die Zahl der Unternehmensneugründungen stieg von 15.018 im Vergleichszeitraum 2014 auf 15.264, erhob die Wirtschaftskammer (WKÖ). "Das ist der höchste Wert seit fünf Jahren. Gleichzeitig ist die Zahl der Insolvenzen gesunken", so WKÖ-Präsident Christoph Leitl zur APA.

Im Schnitt waren die Neo-Unternehmer heuer 37,3 Jahre alt (2014: 37,5 Jahre). Erneut sind deutlich mehr Männer (57,7 Prozent) als Frauen (42,3 Prozent) unter die Selbstständigen gegangen. Würde man die selbstständigen Pflegerinnen dazurechnen, wäre der Frauenanteil höher als 50 Prozent, sagte Leitl am Mittwoch.

Gute Stimmung unter den Gründern

Die meisten Unternehmensgründungen gab es in der Sparte Gewerbe und Handwerk (42 Prozent), gefolgt vom Handel (27 Prozent) sowie Information und Consulting (18 Prozent).

Am häufigsten wählten die Gründer die Rechtsform des nicht eingetragenen Einzelunternehmers (76 Prozent). Für eine GmbH entschieden sich knapp 14 Prozent.

Für das Gesamtjahr 2015 geht die Wirtschaftskammer von einer Steigerung der Gründungen von 28.211 im Jahr 2014 auf hochgerechnet 28.541 aus.

"Die Stimmung bei den Gründern hat sich deutlich verbessert", so Leitl. Nur 9 Prozent der Neuunternehmer fühlten sich in die Selbstständigkeit gedrängt - dieser Wert sei seit Jahren konstant. Der WKÖ-Chef führt das auch auf die Arbeit seines Hauses zurück. "Pro Jahr haben wir 198.000 Kontakte mit Gründern. Daraus entwickeln sich mehr als 46.000 Beratungen des Gründerservice der Wirtschaftskammer."

Höchste Überlebensrate in Europa

Österreichs Neo-Unternehmen hätten die höchste Überlebensrate in Europa. Nach fünf Jahren existierten sieben von zehn Betrieben noch in Gründerhand. Der Europaschnitt liege bei 50 Prozent.

Die Hauptmotivation, sich selbstständig zu machen, liegt laut Leitl im "Sinnerlebnis". "Der reguläre Weg von neun von zehn Gründern ist: Sie haben Ideen, die sie unabhängig umsetzen wollen. Sie wollen selbst Partnerschaften finden und nicht beim Vorgesetzten anklopfen. Dafür nehmen sie ein Risiko in Kauf."

Ein paar Unternehmensgründer kämen auch aus der Arbeitslosigkeit. "Das AMS hat hier gute Programme. Fünf Prozent der Gründer haben das in Anspruch genommen."

Bürokratie abbauen

Handlungsbedarf sieht Leitl bei der überbordenden Bürokratie. "Laut einer Umfrage der Jungen Wirtschaft stufen 54 Prozent der Jungunternehmer Österreich als sehr bürokratisch ein", gibt der WKÖ-Präsident zu bedenken. "Das Motto muss sein: Lasst sie arbeiten und beratet sie, anstatt mit der Strafkeule zu kommen." Oft würden Unternehmern existenzgefährdende Bußgelder aufgebrummt, das dürfe nicht sein. Leitls Appell, den Bürokratiedschungel zu lichten, richtet sich "an uns alle: die Regierung, Sozialpartner und auch die Landesregierungen. Wir sitzen alle im kleinen österreichischen Boot und müssen rudern, anstatt uns wechselseitig ins Ruder zu greifen." Als positiv bewertet Leitl hingegen das Crowdfunding-Gesetz.