Stehplätze im Flugzeug oder eine Extragebühr für die Toilette hat Michael O’Leary schon mal scherzhaft vorgeschlagen. Aber auch mit ernst gemeinten unkonventionellen Ideen hat der Chef der irischen Billigfluglinie Ryanair das Gesicht der europäischen Luftfahrt in den vergangenen Jahren massiv verändert. Der Erfolg gibt ihm weiterhin recht: Im abgelaufenen Quartal steigerte Ryanair den Gewinn um ein Viertel auf 245 Millionen Euro. 28 Millionen Passagiere wurden in diesem Zeitraum transportiert. An der Börse ist Ryanair über 16 Milliarden Euro, fast dreimal so viel wie Lufthansa, wert.

Im Wettbewerb mit den Billigfliegern setzt der deutsche Branchenriese – und damit auch Tochter Austrian Airlines – jetzt einen großen Schritt. Ab Dienstag sind die neuen Tarifmodelle (sie gelten bei Reisen ab 1. Oktober) für Europaflüge buchbar – die Optionen Light, Classic und Flex stehen künftig in der Economy Class zur Auswahl. Quintessenz: Wer mehr Flexibilität und Service wünscht, muss mehr zahlen, im Gegenzug wird die Basisvariante mit 89 Euro pro Strecke günstiger. In der Light-Variante reisen Passagiere künftig nur mit Handgepäck. Umbuchungen sind nicht möglich. Die anderen Optionen liegen zum Teil sogar über den bisherigen Preisen. Bei der Swiss gilt das neue System bereits.

"Preise sinken weiter"

Der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt sieht in dem neuen Tarifmodell einen „logischen Schritt, der zu einem vernünftigen Zeitpunkt erfolgt. Ich glaube, das wird gut angenommen werden“. Die Kunden hätten im Laufe der Jahre deutlich darauf hingewiesen, dass sie mehr Flexibilität wünschen, meint mit Cord Schellenberg ein weiterer Experte.

„Die Buchungen in Europa werden fast ausschließlich über den Preis gemacht. Kunden haben für die Flüge wenig Ansprüche – pünktlich sollen sie sein und sauber“, sagt Schellenberg im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. „Mit dieser Entscheidung der Lufthansa-Gruppe werden die Preise weiter sinken. Der Wettbewerb in Europa ist stark, zum Teil gibt es Überangebote“, ergänzt Großbongardt. „Von einer Situation wie in den USA, wo sich der Markt konsolidiert hat und die Preise nach oben gehen, sind wir Lichtjahre entfernt.“

Dass die neuen Tarifmodelle die etablierten Marken beschädigen könnten, glauben die Experten nicht – es sei ein Beweis für die Kundenorientierung. Auf der Kurz- und Mittelstrecke spiele Erholung an Bord oder tolles Essen ohnehin keine wichtige Rolle. Preise verschiedener Airlines zu vergleichen, wird für die Kunden nicht einfacher, Lufthansa und AUA werden in Suchmaschinen jedenfalls weiter oben zu finden sein.

Auslastung soll auf über 80 Prozent

Die Umstellung hat auch einen wirtschaftlichen Hintergrund, die Auslastung der Flieger soll deutlich über 80 Prozent gesteigert werden. „Das ist auch ökologisch am sinnvollsten“, betont Schellenberg. Zudem wird an der Kostenschraube gedreht – das Personal quittiert das mit vermehrten Streiks. Mit der neuen Billigmarke Eurowings umgeht man jetzt den teuren Konzerntarifvertrag.

Aber auch die Billigflieger adaptieren ihre Geschäftsmodelle – so gibt es bei Ryanair mittlerweile ein Service für Geschäftsreisende. Und die Fluglinie fliegt mittlerweile auch große Airports an, die sie früher aus Kostengründen vermieden hätte.