16. Juli 1995: Eine Garage in Seattle, Jeff Bezos verpackt Bücher. Ein Jahr zuvor hat er seinen Job bei einem Hedgefonds gekündigt. Denn er hat einen Traum: ein globaler Marktplatz im Internet. Das erste Paket wird versendet, Amazon ist geboren.

Anfangs musste sich Bezos auf Bücher beschränken – aus rein praktischen Gründen: Sie sind robust, lassen sich leicht verpacken und lagern. Binnen Kurzem schnellten die Umsätze in die Höhe. 1998 wurde das Sortiment auf Musik und Filme erweitert, ab 1999 auf Elektrogeräte. Das Unternehmen wuchs rasant, immer mehr Mitarbeiter wurden eingestellt. Doch Gewinne konnte Amazon in den frühen Jahren nicht schreiben. 2000 platzte die Dotcom-Blase und der Versandhändler rutschte tief in die roten Zahlen: 1,41 Milliarden US-Dollar Verlust. Bezos zog die Reißleine. 1300 Mitarbeiter wurden gekündigt, ein rigoroser Sparkurs brachte Amazon wieder auf Spur. 2003 gab es die ersten Gewinne.

Mit den Jahren kamen allerdings umstrittene Geschäftspraktiken ans Licht. Lux Leaks offenbarte, dass ein Gutteil der Amazon-Gewinne durch steuerschonende Firmenstrukturen erwirtschaftet wird. Die EU-Kommission prüft die Abmachungen des Konzerns mit Luxemburg. Um die Wogen zu glätten, versteuert das Unternehmen die Gewinne aus Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien freiwillig in den jeweiligen Ländern. Die Umsätze aus Österreich werden weiterhin zu günstigen Steuersätzen in Luxemburg abgerechnet.

Buchhändler: David gegen Goliath

Trotz der Marktmacht des Internetkonzerns gibt es immer noch 1800 Buchgeschäfte in Österreich. „Wien hat die größte Dichte an Buchhandlungen in Europa. Die Umsätze sind stabil“, betont Friedrich Hinterschweiger. Der Buchhändler aus Murau ist Obmann der Sparte Buch und Medien in der Wirtschaftskammer. „Allerdings führen wir einen Kampf David gegen Goliath. Während wir unsere Steuern in Österreich zahlen und die Angestellten gut entlohnen, verschiebt Amazon seine Gewinne nach Luxemburg. Wenn ich keine Steuern zahlen muss, kann ich auch anders wirtschaften.“

Auch Helmut Zechner, Geschäftsführer der traditionsreichen Bücherei Heyn in Klagenfurt, kritisiert die unfairen steuerlichen Bedingungen. Doch er blickt selbstkritisch auf die vergangenen 20 Jahre zurück. „Wir haben viel zu spät realisiert, was da auf uns zu kommt.“ Er selbst betreibt seit 1999 einen Online-Shop. Doch richtig angepriesen wird dieser erst seit zwei bis drei Jahren. „Wir machen heute 15 Prozent Umsatz mit Internetbestellungen. Hätten wir früher mit der Bewerbung begonnen, könnten es 30 Prozent sein.“

Innovationstreiber

Die Entwicklung hatte auch Gutes, findet Zechner: „Amazon ist ein Innovationstreiber. Wir müssen uns anstrengen und selbst innovativ sein.“ Angelika Schimunek von der Bücherstube Graz schätzt Amazon. „Die haben eine tolle Suchmaschine. Ich nutze das schamlos aus, wenn ich für Kunden nach Büchern suche.“ Selbst bestellt sie nicht bei Amazon.

Die Frage, ob sie auch in Zukunft Bücher verkaufen werden, beantworten alle drei Buchhändler eindeutig mit Ja. Schimunek: „Viele Kunden schätzen das wunderbare Gefühl, ein Buch in der Hand zu halten.“ Zechner: „Wir etablieren uns in Richtung Delikatessenladen für Bücherliebhaber.“ Hinterschweiger berichtet von einem Umdenken bei manchen Kunden. „Seit den Streiks in Deutschland ist es nicht mehr schick, bei Amazon zu kaufen. Ein Teil der Kunden kommt zurück in den Laden.“ Diese würden die Beratung und das hohe Fachwissen der Buchhändler schätzen. Etwas, was der Online-Händler nicht habe.

Den Kampf mit dem Internetgiganten nehmen sie gerne auf. Hinterschwinger: „Wir wünschen uns nur Waffengleichheit, das Ende der Steuerflucht.“