Grundsätzlich optimistisch zur Wirtschaftslage äußerte sich die Regierungsspitze heute anlässlich der Präsentation des Wirtschaftsberichts 2015. "Wir sind gut gerüstet für die Aufgaben", so Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). "Ich hoffe, dass wir die Talsohle langsam durchschreiten", sagte Vizekanzler Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Kritische Töne kamen von Ökonomen.

Einig waren sich Faymann und Mitterlehner darin, die Bedeutung von Bildung und Forschung in den Vordergrund zu stellen. Faymann hielt ein Plädoyer für flächendeckende ganztägige Kinderbetreuung. Die Gesellschaft dürfe nicht daran scheitern, dass sich manche Nachhilfelehrer leisten können und andere nicht. Auch Mitterlehner verwies darauf, dass Geld für Pensionen gebraucht werde und das fehle dann in der Bildung und bei Kindergärten. Österreich habe die viertbeste Forschungsquote, aber es gebe zu wenig praktische Umsetzung. Universitäten seien gut, müssten aber ihre Leistungen besser erklären. Faymann wie auch Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) verwiesen darauf, dass die Wirtschaft davon profitiere, dass die Forschungsprämie von zehn auf 12 Prozent gestiegen sei.

"Sparneurose ist kein guter Wegbegleiter"

Bei den Schwerpunkten offenbarten sich dann die Unterschiede: Um Wachstum zu schaffen, brauche es Investitionen und die sieht Faymann speziell in der Infrastruktur gefragt. Faymann sieht auch die Sozialpartner in der Pflicht. Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit brauche es einen "Arbeitsgipfel, den wir für Anfang September planen". In die gleiche Kerbe schlug Infrastrukturminister Alois Stöger (SPÖ): "Mein Ressort verursacht keine Kosten. Mein Ressort investiert", erläuterte er die vier Mrd. Euro Infrastrukturausgaben. "Eine Sparneurose ist kein guter Wegbegleiter." Es brauche "ein klares Bekenntnis zu Unternehmen in staatlicher Hand", vor allem, wenn es um die Daseinsvorsorge - von Schiene über Straße bis zum Breitband - gehe.

"Überbordender Staat"

Mitterlehner wie auch Schelling verwiesen darauf, dass Wachstumsimpulse aus Europa kommen müssen. Das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) wäre ein Gewinn für Europa und die USA. Sollten sich die USA stattdessen nach Asien orientieren, dann wäre das "fatal für uns", so Mitterlehner. Die steigenden Exporte Österreichs würden zeigen, dass die heimische Wirtschaft wettbewerbsfähig sei. Dort, wo es einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit gibt, ortet Mitterlehner den Grund im "überbordenden Staat". Um das Vertrauen der Bevölkerung wieder herzustellen, "müssen wir Strukturreformen angehen". Länder mit Staatsausgaben unter 40 Prozent hätten die höchsten Wachstumsraten - Österreich liege aber hier mit 52 Prozent des BIP relativ hoch. Die größte Aufgabe sei es, "den Staat zurückzuführen". Schelling wiederum setzt Hoffnung in das neue Haushaltsrecht. Dieses sei nach 21 Jahren Verhandlungen nun "zu 99 Prozent durch". Es sei "nur mehr die Frage, wo, nicht ob wir es lösen".

Kritische Ökonomen

In ihren schriftlichen Beiträgen im Wirtschaftsbericht äußerten sich namhafte Ökonomen durchwegs kritisch zur Lage der österreichischen Wirtschaft.

Bank-Austria-Analyst Stefan Bruckbauer, auf den sich Mitterlehner in seinem Ausführungen berief, schrieb: "Der Standort Österreich ist absolut gut, relativ hat er jedoch verloren." Die Stimmung im Umfeld Österreichs habe sich deutlich verbessert, "daher irritiert, dass sich die Stimmung in der österreichischen Wirtschaft nicht parallel dazu ebenfalls gebessert hat". Drei Gründe macht er aus, warum Österreich beim Wachstum hinterherhinkt: Die Exportstruktur, der Verlust relativer Wettbewerbsfähigkeit und die negative Stimmung im Land.

"Auf Reformstau reagieren"

Deutlich kritischer ist Wifo-Chef Karl Aiginger. Er sieht "eine Pause im Erfolgslauf Österreichs", weil das Wachstum das dritte Jahr in Folge unter ein Prozent liegt und das zweite Jahr in Folge unter dem EU-Schnitt, bei zugleich höherer Inflation. Das seien "Warnsignale, auf die Österreich mit der Auflösung des Reformstaus reagieren muss". Und weiter: "Neben der kalten Progression und einer hohen Belastung des Faktors Arbeit werden Gebühren erhöht, und nicht die Produktivität der öffentlichen Leistungen."

Ähnlich kritisch sieht es Bernhard Felderer, Vorsitzender des Staatsschuldenausschusses: "Wie die EU in ihrer jüngsten Wachstumsprognose zeigt, ist es Österreich nicht gelungen, nach der Krise mit dem Durchschnitt Europas mitzuhalten. 2015 belegt Österreich im Vergleich zu den EU-28 einen der letzten Plätze im Ranking der Wachstumsraten." Die Gründe dafür seien bisher nicht ausreichend diskutiert worden, "von den daraus zu ziehenden wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen ganz zu schweigen".

"Stimmung vergleichsweise bescheiden"

IV-Chefökonom Christian Helmenstein sieht ebenfalls Österreichs Wirtschaft "auf der Kriechspur" und IHS-Ökonom Helmut Hofer fordert "Reformen zur langfristigen Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich" ein. Während die Stimmungsindikatoren im Euroraum nach oben weisen, stelle sich die Einschätzung für Österreich "vergleichsweise bescheiden" dar.