Der Steuerstreit zwischen der Schweiz und Deutschland ist in den vergangenen Tagen neu entfacht: Deutsche Politiker stören sich an der Praxis der eidgenössischen Steuerverwaltung, die vollen Namen von mutmaßlichen Steuersündern im Bundesblatt zu veröffentlichen.

Den Anstoß für die Kritik Berlins an Bern hatte ein Artikel in der aktuellen Ausgabe der SonntagsZeitung gegeben. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) publiziert die Namen von mutmaßlichen Steuersündern im Rahmen mehrerer Amtshilfeverfahren im Bundesblatt, das im Internet für alle zugänglich ist. Auf der Webseite der Behörde kann man die einzelnen Bundesblätter, unter den sich Veröffentlichungen der ESTV finden, durchklicken.

Gängige Praxis

Alexandre Dumas von der ESTV bestätigte am Dienstag auf Anfrage das Vorgehen. Die Veröffentlichung des vollen Namens, des Geburtsdatums und der zuletzt bekannten Adresse mutmaßlicher ausländischer Steuersünder, die anderweitig nicht ausfindig gemacht werden könnten, geschehe schon seit rund vier Jahren.

Zu finden sind neben Namen aus Deutschland beispielsweise auch solche aus Großbritannien, Spanien, Frankreich, den Niederlanden, Polen, Tschechien und Russland, aber auch Indien und - in diesem Falle nur mit Initialen - auch den USA. Der Grund dafür sei, dass die Steuerverwaltung allen Betroffenen die Möglichkeit geben wolle, Rechtsmittel zu ergreifen. Namen oder Gesellschaften mit Österreich-Bezug waren bisher nicht zu finden.

"Das entspricht unseren Schweizer Grundrechten", sagte ESTV-Sprecher Beat Furrer der Schweizer Nachrichtenagentur sda zufolge. In der Schweiz gebe es viele solcher und ähnlicher Veröffentlichungen. Das Ursprungsland lasse eine direkte Kontaktnahme im Ausland nicht immer zu, sagte Dumas. "Das rechtliche Gehör von Personen im Ausland kennen nicht viele Länder."

Letztes Mittel

Die Publikation im Schweizer Amtsblatt geschieht laut Furrer nur in letzter Instanz. Seit 2012 bietet das Steueramtshilfegesetz die rechtliche Grundlage dafür. "Vorher war die Praxis in einer entsprechenden Verordnung geregelt", sagte Dumas.

Dass die Schweiz die Namen mutmaßlicher deutscher Steuersünder öffentlich zugänglich macht, kommt in Deutschland nicht gut an. Der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold sieht darin einen Verstoß gegen Bürgerrechte. "Das geht einen Schritt zu weit", sagte der Europa-Abgeordnete der "Berliner Zeitung" am Dienstag. Schließlich seien die Betroffenen nicht verurteilt, betonte Giegold. "Die Schweiz sollte die ausländischen Behörden korrekt und vollständig informieren, statt auf diese Weise in die Bürgerrechte einzugreifen."

Auch Finanzminister mehrerer deutscher Bundesländer kritisierten die schweizerische Praxis. Dies sei nicht mit dem deutschen Steuergeheimnis vereinbar, sagte Peter-Jürgen Schneider (SPD) aus Niedersachsen am Montag im NDR-Radio. "Nachdem die Schweiz über Jahrzehnte durch entsprechende Kontengestaltung quasi Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet hat, marschiert sie jetzt in die genau entgegengesetzte Richtung."

Deutschland will Geheimhaltung

Schneiders Amtskollege aus Baden-Württemberg betonte am Montag, eine Nennung einzelner Steuerpflichtiger sei nicht mit dem Steuergeheimnis zu vereinbaren. Anders als in der Schweiz sollen in Deutschland die Namen von möglichen Steuersündern geheim bleiben.

Nordrhein-Westfalen dagegen will die von der Schweiz veröffentlichten Namen möglicher deutscher Steuerbetrüger überprüfen. "Der Weg, den die Schweizer Steuerbehörde jetzt beschreitet, ist in der Tat speziell", teilte Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) mit.

Wenn die Schweiz Namen von deutschen Bürgern im Zusammenhang mit möglichen steuerlichen Unregelmäßigkeiten nenne, müssten und würden die deutschen Behörden dem aber nachgehen. "In Deutschland gelten allerdings Steuergeheimnis und Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils. Das wird sich auch nicht ändern."