Mehr als 800 Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder trafen sich dieser Tage zur Arbeitssitzung in Graz. Das Treffen war – man muss es so sagen – überschattet von der Steuerreform. Denn die lässt die Wogen jetzt erst recht hochgehen – nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft.

Der Unmut beginnt schon beim Formalen: Der gerade erst ausgesandte Gesetzesentwurf, immerhin zehn Zentimeter bedrucktes Papier, soll bis kommenden Donnerstag begutachtet werden. „Einfacher wird es sicher nicht“, sagt Steuerberater Friedrich Möstl (Deloitte) mit Blick auf die vielen neuen Ausnahme- und Detailregeln etwa bei der Immobilien- und Kapitalertragssteuer.

1648 Steiten Steuerkodex

Die Unfähigkeit des Gesetzgebers, prägnant und klar zu formulieren, zeigt sich im steten Wachstum der Textmengen: Der Steuerkodex schnellte allein seit 2004 von damals 1080 Seiten auf nun 1648 Seiten – gemessen noch vor der jüngsten Reform. Wobei: „Den Ausdruck Steuerreform halte ich für zynisch“, sagt der Präsident der Kärntner Wirtschaftstreuhänder, Peter Katschnig. Denn Strukturreformen seien ausgeblieben, und der Effekt der gesenkten Einkommensteuertarife werde durch die Gegenfinanzierung gedämpft.

Die Kritik lässt sich psychologisch auf eine simple Formel bringen: Wer in diesem Land etwas besitzt – sei es eine Immobilie, ein Unternehmen, ein Dienstauto oder ein Sparbuch –, wird als Betrüger verdächtigt und gerupft. Dass die Betrugsbekämpfung zusätzlich 1,9 Milliarden Euro Einnahmen bringt, wird in Fachkreisen durchgängig stark bezweifelt. Denn das wäre eine Verdoppelung der Erträge aus Betriebsprüfungen. „Wenn man das ernst nimmt, kann man sich vorstellen, wie solche Prüfungen künftig ablaufen“, sagt Möstl. Katschnig sieht die Unternehmer schon an der Belastungsgrenze. Er berichtet aus seiner Kanzlei: „Die überwiegende Zahl der Klienten hat den Wunsch, sich aus dem System zu verabschieden.“ Die „General-Schuldvermutung“ vergifte das Klima.
Ähnlich sieht das die Präsidentin der steirischen Wirtschaftstreuhänder, Michaela Christiner: „Wir sind in einer Kultur, wo Steuerzahler und besonders Unternehmer kriminalisiert werden.“ Das sei eines Rechtsstaates unwürdig: „Ich hätte nie für möglich gehalten, dass es bei uns so weit kommt.“

"Polizeistaat"

Als besonders schändlich gelten das Kontenregister und die Möglichkeit, künftig ohne richterliche Kontrolle auf bloßen Verdacht hin jedes Konto zu öffnen. „Damit wird die Tradition beendet, dass das Geld auf dem Konto Privatsache ist“, sagt der Präsident des Sparkassenverbandes, Gerhard Fabisch. Sein Urteil: „Das klingt für mich ein bisserl nach Polizeistaat.“ Außerdem sei die Maßnahme unangemessen. „Das ist so, wie wenn man wegen der Minderheit der Autoraser auf allen Straßen durchgehend eine Section Control einführt.“

Die Villacher Umsatzsteuerspezialistin Birgit Perkounig (TPA Horwath) hält den neuen 13-Prozent-Umsatzsteuersatz bei Hotels für „einen Hammer“. Der Tourismus stehe ohnedies unter Druck, nun gebe es eine Mehrbelastung und extrem komplizierte Übergangsregeln. „Die Umsatzsteuer ist durch viele Ausnahmen und Betragsgrenzen so kompliziert, dass kaum ein Unternehmer ohne Hilfe eine korrekte Rechnung ausstellen kann“, sagt Perkounig. Sie verweist außerdem auf neue Vorschriften zur Führung aller möglichen Evidenzkonten, was eine schleichende Erweiterung der Buchhaltungspflichten bedeute.

"In Rage" wegen Steuererhöhungen

Die vielen neuen Verschärfungen in der Reform, die ja ursprünglich als Entlastung inszeniert wurde, bringen viele Unternehmer zur Weißglut. „Wir sind richtig in Rage“, sagt etwa der Chef der Porsche Holding Salzburg, Alain Favey. Zehn Steuererhöhungen musste der Autohandel in den letzten Jahren schlucken, jetzt kommt mit der neuen Dienstautobesteuerung die elfte. Die Steuer auf Dienstautos wird von 1,5 auf zwei Prozent des Kaufpreises erhöht. Bei der Ausnahme für CO2-arme Autos wird aber die Schadstoffgrenze jährlich um vier Gramm gesenkt. Für Favey ist das eine „scheinheilige Ökologisierung“, man erwarte weniger Verkäufe und letztlich sogar niedrigere Steuererträge.

Da geht es nicht nur um den Ärger einer Branche, sondern um Konjunkturpolitik. Jeder neunte Arbeitsplatz in Österreich hängt an der Autobranche. Der Markt ist seit Jahren rückläufig – die Dienstautos waren der letzte Wachstumsbereich.