Ab 1. März beginnt die Europäische Zentralbank mit Aufkaufen von Staatsanleihen. Wem zuerst nützt die Geldschwemme?
PETER BREZINSCHEK: Zuerst den Anleihen- und Aktienmärkten in der Eurozone. Der Beschluss hat die Kurse weit nach oben geschossen. Zugleich liegen Renditen auf Allzeit-Tief. Für deutsche Staatsanleihen werden nur noch 0,3 Prozent bezahlt. Für Spanische Anleihen, die 2013 bei 7,5 Prozent Rendite lagen, 1,2 Prozent. Für Italien, trotz anhaltender Krise, nur 1,4 Prozent. Das sind extrem niedrige Zinsen.


Die erleichtern es Staaten, zu Geld zu kommen. Auf welche Länder zielt das EZB-Füllhorn?
BREZINSCHEK: Es wird nach Länderanteilen an der EZB gekauft. Mit 25 Prozent EZB-Anteil nehmen deutsche Staatsanleihen den Hauptkuchen ein. Bei der monatlichen Zielvorgabe von Staatsanleihekäufen um 43 Milliarden Euro müssen jedes Monat alleine um elf Milliarden deutsche Staatsanleihen gekauft werden.


Das bedeutet für Deutschland?
BREZINSCHEK: Deutschland begibt heuer Anleihen für 199 Milliarden Euro und tilgt Anleihen für 187 Milliarden, sodass nur Anleihen für zwölf Milliarden Euro neu auf den Markt kommen. Der Anleihemarkt wird durch die EZB-Käufe austrocknen und für Private massiv schrumpfen.


Die EZB kauft die Staatsanleihen ja nicht Staaten, sondern Banken ab, aber werden diese die Anleihen überhaupt hergeben?
BREZINSCHEK: Das ist die Frage! Ich halte es für eine schwere Fehlannahme, dass die Banken Staatsanleihen im großen Stil überhaupt verkaufen werden. Das ist eine Riesenillusion!


Weil die als sicher angesehenen Staatsanleihen in Portfolios der Banken unentbehrlich sind.
BREZINSCHEK: Ja. Staatsanleihen sind für Banken anrechenbar für die Liquiditätsreserven und für die Besicherung für wöchentliche Geldaufnahmen bei der EZB. Die Deutsche Bank hat schon gesagt, dass sie am EZB-Programm nicht teilnimmt, weil sie dafür keine Staatsanleihen übrig hat.


Das EZB-Geld sollten die Banken, die Staatsanleihen verkaufen, ja in die Wirtschaft pumpen. Der erhoffte Vorteil bleibt aus?
BREZINSCHEK: Der Nettoeffekt wird sogar negativ sein! Wenn eine Bank eine Staatsanleihe an die EZB verkauft, muss sie auf dem Einlagekonto sofort 0,2 Prozent Strafzins zahlen. Denn sie wird ja nicht sofort einen Kreditnehmer an der Hand haben. Vergibt sie dann den Kredit, muss sie den natürlich mit Kapital unterlegen. Also doppelte Kosten!


Was bedeutet das für Österreichs Banken und Wirtschaft?
BREZINSCHEK: Unser EZB-Anteil beträgt 2,8 Prozent. Die negativen Effekte werden überwiegen. Die EZB versucht mit dem Staatsanleihenkauf deren Renditen fast gegen Null zu drücken. Auf der anderen Seite können die Banken den Kunden keine Negativzinsen verrechnen, weil sie sonst einen Bank Run haben, die Leute ihre Sparguthaben abheben und in Bargeld umtauschen. In dem Umfeld kann eine Bank kaum Gewinne machen. Die Erosion der Nettozinsmarge ist eine extreme Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems. Die EZB bestraft die braven Banken, die ihr Geschäft mit Einlagen und Krediten machen.


Für Unternehmen wird es noch schwieriger Kredite zu kriegen?
BREZINSCHEK: Den gewünschten Effekt bei der Unternehmensfinanzierung wird es vor allem bei den Klein- und Mittelbetrieben nicht geben. Bei Banken kommt es zu noch größerer Spreizung des Risikos zwischen kurzfristigen Einlagen und langfristigen Krediten für Unternehmen oder privaten Wohnbau. Wenn der Zinssatz für zehnjähriges Geld gleich hoch ist wie für Tagesgeld, kann ein Finanzintermediär nicht mehr leben. Ich bin äußerst skeptisch, dass das EZB-Programm wirkt.

INTERVIEW: ADOLF WINKLER