193 Schneemänner mit Nationalflaggen. Einer für
jedes Land der Erde. Die Action/2015 - ein Bündnis Hunderter Organisationen - hat sie in Davos aufgestellt. Sie sollen die Topmanager und Spitzenpolitiker beim Weltwirtschaftsforum (WEF) beim sozialen Gewissen packen und auf drei Meilensteine im "Entscheidungsjahr" 2015 einstimmen.

Es sind dies der Weltgipfel zur Finanzierung der
Entwicklungshilfe im Juli in Addis Abeba, die UNO-Vollversammlung über neue Ziele für nachhaltige Entwicklung im September in New York und der Pariser Weltklimagipfel im Dezember. "Da können die Mächtigen Nägel mit Köpfen machen und endlich Geld für eine bessere Welt auf den Tisch legen", sagt eine Aktivistin von Action/2015. Es geht um Milliarden, ja Billionen von Dollar, wie das am Samstag beendete 45. Davoser Stelldichein der Welteliten zeigte.

"Wir müssen dieses Geld auftreiben", sagte US-Außenminister John Kerry in einer hoch emotionalen Rede. Geld für den Kampf gegen den Terrorismus, aber ebenso für den Abbau der grassierenden Jugendarbeitslosigkeit. Es gelte, soziale Ungleichheit und Armut zu besiegen. Denn eine Jugend ohne Perspektive falle leicht auf die religiös verbrämte Propaganda "krimineller Anarchisten" herein.

Ähnlich forderte Frankreichs Staatspräsident François Hollande - zwei Wochen nach den Anschlägen in Paris - die Wirtschaftslenker auf, Wachstumsinvestitionen als soziale Verantwortung zu verstehen. Armut, Arbeits- und Hoffnungslosigkeit seien ein Nährboden für Radikalismus, betonte er im Davoser Kongresszentrum, das mit hohen
Zäunen, Stacheldraht und Metalldetektoren einer Hochsicherheitszone glich.

Doch es war der Amerikaner, der das ganze Ausmaß der
Herausforderung bezifferte: "Als die USA und ihre Verbündeten die Zerschlagung des Faschismus zur Priorität machten, haben wir 3,6 Billionen Dollar aufgebracht", sagte Kerry. In Davos habe ein Redner nach dem anderen betont, dass der Kampf gegen die Geißel des Extremismus global Priorität habe. "Nun gut, dann lasst uns das
jetzt anpacken."

Was solche Appelle taugen, bleibt abzuwarten. Die Stimmung ist insgesamt eher mies. Vor einem Jahr war noch Frohlocken angesagt, die Eurokrise schien überstanden. Jetzt ist sie mit Macht zurückgekehrt. Und sie gesellt sich zu anderen Krisen: die soziale Krise durch die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, die Sicherheitskrise durch das Erstarken des gewaltbereiten Extremismus und die Bürgerkriege im Nahen Osten, die anhaltende Klimakrise und die Ukraine-Krise.

Kein Wunder, dass Deutschlands Topmanager erhebliche negative Folgen für die Wirtschaft befürchten, wie eine Umfrage der "Süddeutschen Zeitung" unter Chefs von Konzernen und Finanzinstituten in Davos ergab. "Die geopolitischen Probleme sind im Moment überragend", sagt Jürgen Fitschen, Co-Chef der Deutschen Bank.

Rupert Stadler, Vorstandsvorsitzender von Audi, macht die Häufung von Krisen innerhalb kurzer Zeit Sorgen: "Wenn man die Ereignisse der letzten Jahre betrachtet, vor allem die Folgen der Finanzkrise, muss man eigentlich sagen, dass die gesamte Wirtschaft in einen permanenten Krisenreaktionsmodus übergangenen ist."

Da wird sie wohl nicht so schnell herauskommen: Im März beginnt der von der Europäischen Zentralbank (EZB) beschlossene Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen in Höhe von 60 Milliarden Euro
monatlich. Dass Deutschland das Programm als Gift betrachtet, das die Bereitschaft zu Reformen im Eurozonen-Süden abtöten könnte, hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel unmissverständlich klar
gemacht.

Als "Zeitkaufen" hat sie das Programm auf der WEF-Bühne
bezeichnet, während EZB-Chef Mario Draghi es gerade im knapp 400 Kilometer Luftlinie entfernten Frankfurt verkündete. "Der Euro taumelt, während die abgrundtiefe Opposition Deutschlands gegenüber der Europäischen Zentralbank immer deutlicher wird", resümiert die
"Financial Times".

WEF-Teilnehmer aus dem angelsächsischen Raum und Südeuropa begrüßten das EZB-Programm hingegen überschwänglich. Auch derfranzösische Staatspräsident Hollande applaudierte. Immerhin versprach er - ebenso wie Italiens Regierungschef Matteo Renzi -, eingeleitete Reformen werde man trotz der Geldflut aus Frankfurt
"unbeirrt" fortsetzen.