"Ich habe diesen Beschluss ganz offen gesagt nicht mit getragen, weil ich glaube, dass er zu früh gekommen ist", sagte das österreichische EZB-Ratsmitglied, Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny am Freitag im "Ö1-Morgenjournal". Seiner Meinung nach hätte man abwarten sollen, wie sich die bisher von der EZB gesetzten Maßnahmen auswirken.

Laut Berichten in den sozialen Medien haben neben Nowotny auch die Notenbank-Chefs von Estland, Ardo Hansson und den Niederlanden, Klaas Knot, den gestrigen EZB-Beschluss für das 1,14 Billionen Euro schweres Anleihenkaufprogramm nicht mitgetragen. Das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sollen überhaupt dagegen gestimmt haben.

"Letztes Pulver verschossen"

Bereits im "ZiB2"-Interview meinte Nowotny, er hätte lieber noch zugewartet, da die EZB mit der Auflage dieses billionenschweren Ankaufprogrammes mehr oder weniger ihr "letztes Pulver" verschossen habe.

"Es sind eben doch sehr große Volumina, um die es hier geht. Daher glaube ich, dass es natürlich auch Vorteile bringt, aber dass die Risiken nicht unerheblich sind", begründete Nowotny im Radio-Interview seine Vorbehalte gegen das Programm. Je größer die Volumina, desto größer sei die Problematik, die damit verbunden sein könnte.

Für Nowotny stellt sich grundlegend die Frage, wie weit man durch bloße geldpolitische Maßnahmen in der derzeitigen schwierigen ökonomischen Situation eine Entlastung bringen könne. Auch er sehe das Problem, dass es mit zu großer Liquiditätszufuhr zu negativen Nebenwirkungen kommen könnte, meinte Nowotny.

Deutscher Bundesbankchef übt Kritik

Deutsche-Bundesbank-Präsident Jens Weidmann kritisiert den Kauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB). "Der Ankauf von Staatsanleihen ist in der Währungsunion kein Instrument wie jedes andere. Es birgt Risiken", sagte Weidmann der "Bild"-Zeitung laut Vorausbericht vom Freitag.

Jens Weidmann
Jens Weidmann © AP

Auf die Frage, ob die EZB künftig noch so unabhängig sei wie es die Bundesbank zu Zeiten der D-Mark war, sagte Weidmann: "Fakt ist, dass mit dem neuen Programm die Notenbanken im EZB-System zu den größten Gläubigern der Euro-Staaten werden. Das birgt das Risiko, dass solides Haushalten vernachlässigt wird. Und es könnte der politische Druck auf uns steigen, die Zinslast der Finanzminister dauerhaft niedrig zu halten."

Die EZB müsse sich wieder auf ihre Kernaufgabe konzentrieren, die Wahrung von stabilen Preisen. "Gerade wenn es für die Politik unbequem wird, kommen schnell die Rufe nach der Notenbank auf", sagte Weidmann, der im EZB-Rat sitzt. "Wir müssen uns aber auf unsere Kernaufgabe konzentrieren: mittelfristig für stabile Preise zu sorgen. Das wird dann herausfordernd, wenn die Zinsen wieder erhöht werden müssen."

Exporteure warnen vor Währungskrieg

Die deutschen Exporteure werfen der EZB vor, mit ihrem Billionen-Anleihekaufprogramm einen Währungskrieg zu provozieren und den Zusammenhalt in Europa zu gefährden. "Was EZB-Präsident Mario Draghi macht, ist in meinen Augen brandgefährlich", sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Anton Börner, der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) lasse den Eurokurs weiter sinken, und das werde sich noch fortsetzen. "Es gibt die Problematik Währungskrieg, noch mehr Spaltung in der EU und noch mehr Unsicherheit", klagte er.

"Euro heruntergeprügelt"

Börner sagte, Draghi wolle den Euro "heruntergeprügelt haben". Er rechne auf kurze Sicht mit einem weiter sinkenden Euro, der Kurs könne auf Dollar-Parität absacken. Die europäische Währung notierte am Freitag bei rund 1,12 Dollar - im Mai 2014 waren es noch knapp 1,40 Dollar. Eine Politik der Schwächung des Euro berge aber massive Gefahren. "Irgendwann sagen die Amerikaner oder die Asiaten, jetzt reicht es uns." Dann drohe ein Abwertungswettlauf und damit ein Währungskrieg.

Der BGA-Präsident wies auch die These zurück, die Exporteure seien die großen Gewinner des schwachen Euro. Diese Darstellung sei reiner Populismus. "Wir brauchen den Kurs nicht, wir sind stark genug", sagte Börner. Zwar könnte ein schwächerer Euro kurzfristig dem deutschen Export mehr Schwung geben. Auf Dauer sei der Effekt aber eher negativ. Viel wichtiger sei für die Wirtschaft eine stabile Währung und stabile Zukunftsaussichten. Dazu aber trage Draghi nicht bei.

"Problem mit Handelsüberschüssen"

Zudem schafften mehr deutsche Exporte Probleme innerhalb und außerhalb der EU wegen wachsender deutscher Handelsüberschüsse, sagte Börner. "Wir haben ja ohnehin Probleme mit den Überschüssen. Da stehen wir ohnehin schon am Pranger." Lege der deutsche Export noch kräftiger zu, schade das dem Zusammenhalt in der EU. "Die Spaltungstendenzen in der EU nehmen dann noch." Insgesamt sei die jüngste EZB-Entscheidung ein Desaster. "Ich sehe nur Negatives", sagte Börner. Auch den südeuropäischen Krisenländern helfe sie nicht.