Die Schweizer Notenbank gibt den vor mehr als drei Jahren eingeführten Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken auf. "Der Mindestkurs wurde in einer Zeit der massiven Überbewertung des Frankens und größter Verunsicherung an den Finanzmärkten eingeführt", erklärte die Schweizerische Nationalbank (SNB) am Donnerstag.

"Der Franken bleibt zwar hoch bewertet, aber die Überbewertung hat sich seit Einführung des Mindestkurses insgesamt reduziert." Auch auf dem Devisenmarkt hatten die Meldungen aus der Schweiz massive Auswirkungen. Zur Schweizer Währung sackte der Euro zeitweise um rund 28 Prozent auf ein Rekordtief von 0,8639 Franken ab.

Auch der US-Dollar fiel zum Franken massiv auf einen Wert von 0,8864 CHF, der größte Rutsch seit mindestens 1971.

Kurz nach der Entscheidung brach der Euro im Vergleich zum Franken massiv ein
Kurz nach der Entscheidung brach der Euro im Vergleich zum Franken massiv ein © kk

Experten gehen davon aus, dass sich die Talfahrt des Euro in den nächsten Wochen noch einmal beschleunigen dürfte - vor allem, wenn die EZB wie derzeit erwartet eine Ausweitung ihrer ultralockeren Geldpolitik beschließen wird. Viele Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Notenbanker schon auf ihrer nächsten geldpolitischen Sitzung am 22. Jänner den Ankauf von Staatsanleihen ankündigen.

Schlecht für Frankenkredite

Das ist eine schlechte Nachricht für jene Österreicher, die einen Franken-Kredit laufen haben. Diese werden nun deutlich teurer. Das aushaftende Volumen an Fremdwährungskrediten privater inländischer Haushalte ist laut Daten der Finanzmarktaufsicht (FMA) in Österreich im 3. Quartal 2014 auf Euro 25,7 Milliarden Euro gefallen - davon mehr als 95 Prozent in Franken. Gegenüber Herbst 2008 - als die FMA einen Stopp der Neuvergabe von Fremdwährungskrediten verhängte - reduzierte sich das Volumen wechselkursbereinigt damit um Euro 21,1 Milliardne oder 45,0 Prozent. 

Die SNB hat am 6. September 2011 den Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken eingeführt. Der starke Franken hatte der Exportwirtschaft zuvor massiv zugesetzt. Die Überbewertung des Franken konnte reduziert und die gefährlichen Folgen für die Schweizer Wirtschaft gemildert oder mindestens verzögert werden. 

Starker US-Dollar als Begründung

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) begründet das Aus für den Euro-Mindestkurs am Donnerstag auch mit dem Erstarken des US-Dollars. Die Unterschiede in der geldpolitischen Ausrichtung der bedeutenden Währungsräume hätten sich in letzter Zeit markant verstärkt und dürften sich noch weiter akzentuieren.

Der Euro habe sich gegenüber dem US-Dollar deutlich abgewertet, wodurch sich auch der Franken zum US-Dollar abgeschwächt habe, schrieb die SNB in einer Erklärung.

Vor diesem Hintergrund sei die Nationalbank zum Schluss gekommen, dass die Durchsetzung und die Aufrechterhaltung des Euro-Mindestkurses nicht mehr gerechtfertigt sei.

Der Franken bleibe zwar hoch bewertet, aber die Überbewertung habe sich seit Einführung des Mindestkurses im September 2011 insgesamt reduziert. Die Wirtschaft habe diese Phase nutzen können, um sich auf die neue Situation einzustellen.

Die Währungshüter verteidigten rückblickend die Maßnahme: Der Mindestkurs sei in einer Zeit der massiven Überbewertung des Frankens und größter Verunsicherung an den Finanzmärkten eingeführt worden. "Diese außerordentliche und temporäre Maßnahme hat die Schweizer Wirtschaft vor schwerem Schaden bewahrt", hält die SNB fest.

"Der Ausstieg musste überraschend erfolgen", hielt der Chef der Schweizer Nationalbank, Thomas Jordan, fest. Der Moment sei richtig gewesen, das Kursziel von 1,20 Franken je Euro aufzugeben. Ein Festhalten hätte auf lange Sicht keinen Sinn ergeben.

Hier das vollständige Communiqué der Schweizer Notenbank.

Jordan trat Vermutungen entgegen, die SNB könnte faktisch zu dem Schritt gezwungen gewesen sein. Marktdruck sei nicht ausschlaggebend gewesen, so der Notenbankchef. In den vergangenen Wochen war der Euro-Franken-Kurs an der Grenze von 1,20 Franken förmlich geklebt. Ein wichtiger Grund dafür waren Erwartungen einer noch lockereren Geldpolitik im Euroraum. Die SNB musste deswegen den Franken mit stetigen Devisenkäufen schwächen, um die Kursgrenze zu verteidigen.

Swatch-Chef: "Es fehlen mir die Worte"

Erstaunt über die Aufgabe des Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank zeigt sich der Chef des Schweizer Uhrenherstellers Swatch, Nick Hayek. Er befürchtet einen "Tsunami" für die ganze Schweiz. "Es fehlen mir die Worte" sagte Swatch-Patron Hayek zur Nachrichtenagentur sda.

Jordan sei nicht nur der Name des Nationalbankpräsidenten, sondern auch der eines Flusses. Das was die SNB da ausgelöst habe, sei ein Tsunami. Nicht nur für die Exportindustrie und den Tourismus, sondern für die ganze Schweiz, sagte Hayek weiter.

Kursrutsch an der Schweizer Börse

Die europäischen Leitbörsen sind am Donnerstag nach einem extrem volatilen Handelstag mit Ausnahme der Zürcher Börse einheitlich mit klaren Gewinnen aus dem Handel gegangen. Bestimmendes Thema der Börsensitzung war der überraschende Beschluss der Schweizer Notenbank (SNB) den Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken aufzugeben.

Der Franken legte darauf zum Euro um massive 15 Prozent zu und sorgte an der Börse in Zürich für eine Kurstalfahrt. Die starke Aufwertung ihrer Währung sei ein Schock für die exportorientierten eidgenössischen Unternehmen, sagte ein Börsianer. Die Meldungen aus der Schweiz sorgten an den Finanzmärkten somit für beachtliche Turbulenzen.

Der Schweizer Leitindex SPI schloss mit dem stärksten Verlust seit 25 Jahren und musste ein Minus von 8,6 Prozent hinnehmen. Im Verlauf brach er um bis zu 14 Prozent ein. Das war der größte Verlust seiner Geschichte. Dabei büßten die dort gelisteten Unternehmen zusammen etwa 140 Milliarden Franken an Marktkapitalisierung ein.

Schwankungen werden zur Normalität

Die starken Kursschwankungen könnten im ersten Quartal zur Normalität werden, sagte ein Analyst. Der Euro-Stoxx-50 schloss mit einem satten Plus von 2,19 Prozent auf 3.157,36 Zähler, nachdem er im Verlauf merklich in die Verlustzone gerutscht war. "Die Märkte waren nach den überraschenden Schritten der SNB zunächst geschockt. Damit hat man wohl nicht gerechnet", formulierte ein Marktanalyst.

In Zürich setzte an der Börse ein regelrechter Abverkauf ein. Unter den Einzelwerten brachen Swatch Group, UBS, Actelion, Julius Bär, Credit Suisse, Holcim und Givaudan um jeweils mehr als zehn Prozent ein.