Der Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA rückt in weite Ferne. Nach dem breiten Widerstand in einer Online-Konsultation gegen Klauseln zum Investorenschutz (ISDS) will die EU-Kommission die Verhandlungen über diesen Punkt vorerst nicht wieder aufnehmen. Von den eingereichten 150.000 Antworten waren 97 Prozent kritisch, teilte die Brüsseler Behörde am Dienstag mit.

Österreich hatte mit 33.753 Teilnehmern einen Anteil von 22 Prozent der Eingaben und damit die real zweithöchste und verhältnismäßig zur Einwohnerzahl größte Beteiligung in Europa.

Äußerste Skepsis

"Aus der Konsultation geht klar hervor, dass gegenüber dem Instrument der ISDS äußerste Skepsis herrscht", sagte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, die für die EU die Verhandlungen mit den USA leitet. Umweltverbände, Verbraucherschützer und Gewerkschaften fürchten im Zuge der Beseitigung von Handelshemmnissen umfangreiche Klagerechte für Investoren und eine Aushöhlung der Rechte von Staaten.

Bevor die Kommission eine politische Empfehlung zum weiteren Vorgehen beim Investitionsschutz abgibt, will sie nach eigenen Angaben nun neuerliche Diskussionen mit dem EU-Parlament, den EU-Staaten und anderen Interessengruppen wie Gewerkschaften, Verbraucherschützern und Unternehmen führen. Die Gespräche dazu will Malmström Ende Februar mit dem EU-Parlament aufnehmen.

Damit steht der Zeitplan für den Abschluss des Freihandelsabkommens (TTIP), von dem sich die Exportwirtschaft starke Impulse erhofft, auf der Kippe. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich kürzlich für ein Abkommen noch in diesem Jahr eingesetzt. In den USA drohen die Verhandlungen Thema im Präsidentschaftswahlkampf 2016 zu werden.

Kritiker sehen sich bestätigt

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) bekräftigte seine Ablehnung der Schiedsgerichte und bezeichnete die Ergebnisse der Befragung in einer Aussendung als "ein klares Zeichen dafür, dass für die Österreicher die Ausgestaltung des Freihandelsabkommens TTIP ein wichtiges Anliegen ist. Die großen Bedenken der Bevölkerung sind ernst zu nehmen."

Eine "Abfuhr der Bürger für geheime Schiedsgerichte" im Rahmen des Freihandelsabkommens EU-USA (TTIP) sieht der Delegationsleiter der Sozialdemokraten im Europaparlament Jörg Leichtfried. Die Kritik an Sonderklagsrechten von Konzernen (ISDS) sei durch die nun präsentierten Ergebnisse der öffentlichen Konsultation der EU-Kommission bestätigt worden, sagte Leichtfried am Dienstag in Straßburg.

Der Grüne EU-Mandatar Michel Reimon forderte die österreichische Regierung angesichts der Ergebnisse der Konsultation auf, ihre Zustimmung zum Verhandlungsmandat zu TTIP zu widerrufen. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström müsse die Verhandlungen unter dem derzeitigen Mandat einstellen.

Verhandlungen ruhen

Die Brüsseler Behörde, die für die Handelspolitik der 28 EU-Staaten zuständig ist, hatte vergangenes Jahr nach wachsendem Widerstand die Verhandlungen darüber mit der Washingtoner Regierung ausgesetzt und die öffentliche Konsultation gestartet.

Nach Meinung des Analysten Romain Pardo ist die Situation verfahren. Denn die EU-Regierungen hätten der Kommission ein Mandat für TTIP erteilt, worin ISDS vorkomme. Zugleich könne die Politik den Gegenwind der Bevölkerung nicht ignorieren, sagte der Analyst vom Brüsseler European Policy Centre der Nachrichtenagentur AFP. Der Streit um den Investorenschutz müsse daher wohl auf höchster Ebene von den Staats- und Regierungschef entschieden werden.