In Italien und Deutschland üben Gewerkschaften harte Kritik an den jeweiligen Regierungen für deren Wirtschaftspolitik. Die italienischen Gewerkschaften drohen wegen der Arbeitsmarktreform mit einem Generalstreik, in Deutschland wird den Regierenden das rigide Sparen in Europa vorgeworfen, welches Wachstum verhindere.

Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann, ortet einen völlig verfehlten konjunkturpolitischen Kurs der deutschen Regierung in Europa. In Deutschland hätten nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers Konjunkturprogramme, tarifvertragliche und sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen geholfen.

"Doch Deutschland verordnet den europäischen Krisenländern genau das Gegenteil. Da empfiehlt man Sozialabbau und Steuerkürzung." So kämen die EU-Krisenländer kaum wieder auf die Beine. Das sei auch für Deutschland bedrohlich, weil es auf die Exporte auch in diese Länder angewiesen sei. Auch in Deutschland selbst seien mehr Investitionen statt eines strikten Festhaltens am ausgeglichenen Haushalt nötig, forderte Hoffmann.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer verlangte: "2015 muss statt weiterer Verteilung und Regulierung wieder das Erwirtschaften im Vordergrund stehen." Im kommenden Jahr müsse es zudem Fortschritte bei den TTIP-Verhandlungen geben. "Europa wird auf mittlere Sicht im weltweiten Wettbewerb nur mithalten können, wenn wir Handelshemmnisse zu unseren wichtigsten Partnern abbauen und so Wachstum und Beschäftigung fördern", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Drohende Streikwelle in Italien

Die italienischen Gewerkschaften gehen gegen die von der Regierung verabschiedete Arbeitsmarktreform, die eine wesentliche Auflockerung des Kündigungsschutzes vorsieht, auf die Barrikaden. Die Chefin des stärksten italienischen Gewerkschaftsverbands CGIL, Susanna Camusso, kündigte eine Streikwelle gegen die Regierung an.

Der CGIL-Verband werde die Arbeitsmarktreform in Italien und in Brüssel anfechten, kündigte Camusso im Interview mit der römischen Tageszeitung "La Repubblica" (Samstagsausgabe) an. Sie schloss nicht aus, dass es zu einem weiteren Generalstreik kommen könnte, nach jenem, den die Gewerkschaften bereits am 12. Dezember durchgeführt hatten. Mit ihrer Reform schaffe die Regierung Renzi de facto unbefristete Arbeitsverträge in Italien ab. Damit wachse im Land nur die Unsicherheit der Arbeitnehmer.

Aufgeweichter Kündigungsschutz

Bisher konnten vollbeschäftigte Arbeitnehmer im Fall ihrer Entlassung vor Gericht ziehen und dort meist erfolgreich ihren Arbeitsplatz einklagen. Nach dem neuen System können entlassene Arbeitnehmer zwar weiterhin klagen, die meisten würden aber nur eine finanzielle Entschädigung erhalten, wenn sie vor Gericht recht bekommen. Ausnahmen gibt es jedoch beispielsweise in Fällen sexueller Diskriminierung. Die Reform der Arbeitslosenunterstützung beinhaltet, dass maximal zwei Jahre lang bis zu 1.300 Euro pro Monat gezahlt werden.

Die Aufweichung des weitreichenden Kündigungsschutzes soll laut der Regierung Unternehmen einen Anreiz geben, mehr Menschen einzustellen. Italien steckt in einer der schlimmsten Rezessionen der Nachkriegszeit.