Die Situation ist fatal, das ist eine Massenpsychose, das Vertrauen ist derzeit weg“ – Dietmar Fellner ist seit fast genau sechs Jahren Handelsdelegierter in Moskau, die vergangenen Tage verfolgt auch er „mit großer Besorgnis“, wie er im Gespräch mit der Kleinen Zeitung betont. Die Lage ist tatsächlich dramatisch. Die russische Währung ist – trotz verzweifelter nächtlicher Interventionen durch die Notenbank – im freien Fall. Mit einer beispiellosen Leitzinserhöhung um 6,5 Punkte auf 17 Prozent wollte die Zentralbank zum Befreiungsschlag ausholen, doch selbst diese historische Maßnahme sorgte nur kurz für Stabilisierung. Dann setzte sich die Talfahrt des Rubels nur noch schneller fort. Der Tagesverlust lag bei bis zu 20 Prozent, seit Jahresbeginn schmierte die Währung um fast 60 Prozent ab. Erstmals mussten 80 Rubel für einen Dollar und zeitweise über 100 Rubel für einen Euro gezahlt werden. Regierungschef Dmitri Medwedew berief ein Krisentreffen ein.

Kaufkraftverlust und Katastrophenstimmung

„Diese ständige Abwertung und der damit einhergehende Kaufkraftverlust führt in der Bevölkerung zu einer Katastrophenstimmung, Importprodukte aus dem Westen werden immer teurer“, sagt Fellner. Zudem sei bereits jetzt aus einigen Branchen bekannt, dass es mit Jahreswechsel zu einem kräftigen Anstieg der Preise kommen werde. „Daher beobachten wir jetzt vor den Feiertagen eine Art Kaufrausch-Situation. Andere wollen retten, was zu retten ist, und wechseln panisch Devisen oder schaffen Kapital ins Ausland“, sagt Fellner. Die Melange aus dem rasant sinkenden Ölpreis, dem Verfall des Rubels, den sich abwendenden Investoren, dem Vertrauensverlust sowie zahlreichen Spekulanten, die auf einen sinkenden Rubel setzen würden, lasse für 2015 eine Rezession in Russland erwarten.

Handelsdelegierter Dietmar Fellner
Handelsdelegierter Dietmar Fellner © WK

Auch an der Moskauer Börse sackte der Kurs des Leitindex RTS um 12,5 Prozent nach unten. Ausläufer des russischen Bebens sind bis Wien zu vernehmen. So erreichte die Aktie der stark in Russland engagierten Raiffeisen Bank International ein neues Allzeittief, die RBI-Aktie brach in einer Woche um 25 Prozent ein.

Aus Sicht des Wifo-Experten Oliver Fritz spielen die EU-Einfuhr- und Ausfuhrverbote nicht die entscheidende Rolle bei den jüngsten Entwicklungen, „sie tragen dazu bei, problematischer ist für Russland aber der massive Rutsch der Ölpreise“. Die Beschränkungen am Kapitalmarkt, die ebenfalls Teil der EU-Sanktionen sind, seien indes ein durchaus gravierendes Problem für die russische Wirtschaft. Die österreichischen Exporte nach Russland seien bisher „weniger stark eingebrochen als befürchtet“, so Fritz.

Das bestätigt auch Fellner, das Minus werde bis Jahresende bei 12 bis 15 Prozent liegen. Warm anziehen heißt es dann aber für nächstes Jahr. „2015 wird die Währungskrise aus heutiger Sicht zu enormen Einbußen bei den österreichischen Exporten führen, die Waren österreichischer Firmen werden durch den Rubel-Verfall in Russland ja immer teurer, das wird sich stark bemerkbar machen.“