In Deutschland sind die Fernbusse nicht erst seit den häufigen Streiks eine ernst zu nehmende Alternative zu Auto und Bahn. Sie hatten die Genehmigung für die Strecke Graz–Wien 20 Jahre in der Schublade. Warum eigentlich?
LUDWIG RICHARD: Wir haben diese Konzession genutzt, aber wir sind von Graz nach Wien und retour im Regionalverkehr über Gleisdorf und Hartberg gefahren, mit vielen Haltestellen und entsprechend längerer Fahrzeit. Bei dem neuen Geschäftsmodell der Fernbusse in Deutschland war ich anfangs skeptisch, ob es überhaupt funktioniert, und habe mir das deshalb ziemlich genau angeschaut. Dort läuft es gut, und durch die Streiks sind sogar Menschen mit Fernbussen gefahren, die da sonst nicht eingestiegen wären. Jetzt, mit den vielen Erfahrungen aus Deutschland im Gepäck, ist auch der richtige Zeitpunkt gekommen, das zwischen den beiden größten Städten zu probieren.

Haben Sie gar nicht mit diesem Erfolg gerechnet?
RICHARD: Als wir das am Montag in Graz präsentiert haben, war die Resonanz eher verhalten. Richtig losgegangen ist es erst ab Dienstag. Wir haben uns sehr über das große positive Feedback gefreut und sind von den Buchungszahlen überwältigt. In den ersten 24 Stunden haben wir mehr als 1000 Tickets verkauft, Freitag am Vormittag haben wir für die ersten fünf Betriebswochen nach drei Buchungstagen bis Jahresende mehr als 2250 Tickets verkauft.

Da jagen Sie der Bahn gerade ordentlich Kunden ab, oder?
RICHARD: Wir sprechen sicher nicht den klassischen Bahnfahrer an. Wir holen unsere Kunden von der Straße. Ich bin zutiefst überzeugt, dass der Fernbus eine neue Form des öffentlichen Verkehrs ist. Etwas günstiger, vielleicht ein bisschen beengter. Das Angebot richtet sich primär an junge Leute, die etwas Neues ausprobieren wollen, mit dem Internet aufgewachsen sind und die das Auto gerne einmal stehen lassen. Die in vielen Kommentaren in Deutschland vertretene Meinung, die Bahn habe die Angebote der Fernbusse unterschätzt, teile ich nicht. Wer eine attraktive Bahnverbindung hat, der steigt nicht in den Bus.

Überlegen Sie schon, ob Sie in Wien als Alternative zur Endstelle Westbahnhof ab dem Matzleinsdorfer Platz auch einen Bus zum Flughafen anbieten?
RICHARD: Es gibt grundsätzlich noch ganz viel Fantasie, jetzt haben wir einmal den ersten Schritt von mehreren gesetzt.

Verraten Sie den nächsten?
RICHARD: Wir fahren seit einem Jahr die Linie München–Innsbruck, da bietet sich eine Verlängerung nach Südtirol an. Man muss sich gut überlegen, wo man wächst. Uns interessiert sicher nicht, irgendwem auf der Weststrecke Konkurrenz zu machen, da ist die Bahn viel leistungsfähiger. Zwischen Graz und Klagenfurt fahren die ÖBB selbst Bus.

Wächst es sich mit „meinFernbus“ als Partner leichter?
RICHARD: Unser Kernthema war immer, wie wir zu einem leistungsfähigen Vertriebssystem kommen, weil ohne Vertriebsmacht geht gar nichts. Immerhin buchen 99 Prozent der Fernbuskunden im Internet. Als die beiden jungen Gründer von „meinFernbus.de“ vor drei Jahren Financiers gesucht haben, sind wir mit fünf Prozent eingestiegen. Und die haben eine tolle Erfolgsgeschichte hingelegt. Der Wettbewerb ist dort extrem hart, läuft oft über den Preis, aber die machen heuer einen anständigen Gewinn.

Zuletzt eine persönliche Frage: Manchmal kursieren noch Postings, der Firmenname gehe auf eine geschickte Abkürzung zurück.
RICHARD: Eine echte „Urban Legend“, die vor ewigen Zeiten sogar auf der juristischen Fakultät in Wien als Beispiel für irreführende Firmennamen genannt wurde. Schon mein Großvater war Dr. Ludwig Richard, detto mein Vater. Weder Dragan noch Dragomir. Ich hab unter anderem auch wegen dieser Gerüchte nach rund zehn Jahren Tätigkeit im Unternehmen berufsbegleitend mit dem Doktoratsstudium begonnen. Hin und wieder wird das in Postings tatsächlich noch behauptet. Unglaublich.