Bevor er von der Luxemburger Steueraffäre eingeholt wurde, hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Europa Großes versprochen. Ein 300 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm soll die EU aus der Wachstumskrise bringen und dringend benötigte Jobs schaffen. Kommende Woche will der EU-Kommissionspräsident seine Pläne vorstellen.

Was von manchem Kritiker bisher als Luftschloss abgetan wird, soll sich nach Junckers Plänen letztlich als regelrechte Jobfabrik erweisen. "Diese Kommission wird die der letzten Chance sein", sagte Juncker vor seinem Amtsantritt am 1. November. "Entweder gelingt es uns, näher an die Bürger Europas zu kommen, die Arbeitslosigkeit zu verringern und den jungen Menschen in Europa eine Perspektive zu geben, oder wir scheitern."

Tatsächlich birgt die chronische Wachstumskrise vor allem im Süden Europas enormen sozialen Sprengstoff. Während Deutschland laut Bundesagentur für Arbeit auf die Vollbeschäftigung zusteuert, ist die Lage in Ländern wie Griechenland oder Spanien mit Arbeitslosenquoten von um die 25 Prozent katastrophal. Am stärksten leiden junge Menschen unter 25 Jahren: Fünf Millionen von ihnen sind europaweit ohne Job und Perspektive. In Portugal ist mehr als ein Drittel von ihnen ohne Arbeit, in Italien und Kroatien über 40 Prozent, in Spanien und Griechenland sogar mehr als die Hälfte.

"Europa braucht Investitionen wie ein vertrocknetes Land Wasser", sagt der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im Europaparlament, Udo Bullmann. In vielen Ländern wachse inzwischen "eine Generation heran, die mehr Menschen in Arbeitslosigkeit als in Lohn und Brot kennt." Das Investitionspaket müsse "dementsprechend kräftig ausgestattet sein - eine schlichte Umetikettierung laufender Projekte darf es nicht geben".

Die Einzelheiten von Junckers Investitionsplan sind bisher unklar. Bis heute hüllt sich der Luxemburger in Schweigen zu der Frage, aus welchen privaten und öffentlichen Quellen die 300 Milliarden Euro kommen sollen. Am kommenden Mittwoch wird er im Europaparlament zumindest die Eckpunkte vorstellen. Vor Weihnachten soll das Konzept stehen.

Die Pläne haben schon im Vorfeld die Debatte über die Richtung der europäischen Wirtschaftspolitik neu entfacht. Italien und Frankreich auf der einen Seite fordern Spielraum für Investitionen. Deutschland auf der anderen Seite warnt davor, zugunsten von schuldenfinanzierten Ausgaben die Sparpolitik aufzuweichen.

"Frisches Geld" für Junckers Pläne sei "unrealistisch angesichts der nach wie vor notwendigen und noch keineswegs abgeschlossenen Haushaltskonsolidierung in Europa", heißt es aus der konservativen EVP-Fraktion, zu der auch CDU und CSU gehören. "Ein Heranziehen des Euro-Rettungsfonds ESM darf unter keinen Umständen erfolgen." Denn ein in die Medien gelangtes Planspiel sieht vor, ungenutzte Mittel im Rettungsfonds für Investitionsprojekte zu nutzen. Auch die Bundesregierung hält davon nichts.

Woher auch immer das Geld kommen soll: Der Plan zielt darauf ab, über Kreditbürgschaften private Investitionen zu erleichtern - etwa durch Einlagen bei der Europäischen Investitionsbank (EIB), die dann ein Vielfaches des hinterlegten Betrages als Kredite für konkrete Projekte verleihen könnte. Neu sind solche "Hebelungen" nicht. Schon 2012 verabschiedete die EU ein 120 Milliarden schweres Programm zur Ankurbelung der Wirtschaft. Damals wurde das Kapital der EIB um 10 Milliarden Euro erhöht. Ziel war es, bis 2015 Kredite von 60 Milliarden Euro auszugeben.

Doch die Wirkung des Programms blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück. Und ein Diskussionspapier Polens zu Junckers Plänen verweist darauf, dass trotz Marktzinsen nahe null auf dem freien Kapitalmarkt "die Neigung des Privatsektors zu Investitionen schwach ist". Die Frage ist deshalb nicht nur, ob Juncker die Finanzierung seiner Pläne hinbekommt, sondern auch, ob es überhaupt möglich ist, die privaten Investoren aus der Reserve zu locken.