Das Wehklagen war groß. Es war sogar schon davon die Rede, dass vom Wiener Leitindex nur mehr ein Leidindex übrig geblieben ist. Im Vorjahr zählte der ATX mit einem Minus von rund 35 Prozent noch zu den schwächsten Börsenindizes Europas. Auch der Ausblick für 2012 fiel nicht gerade euphorisch aus. Und jetzt das. Der Wiener Leitindex reihte sich - im am Freitag um 18:00 Uhr zu Ende gegangenen Börsenjahr - mit einem Plus von knapp 27 Prozent unter die größten Gewinner in Europa ein.

Zu verdanken ist die überaus positive Jahresbilanz vor allem einem Jahresendspurt ab Mitte November (siehe Grafik). Die höchsten Zuwächse konnten 2012 die Aktien der Erste Group (plus 76,85 Prozent), der RHI (plus 64,9 Prozent) sowie von Andritz (plus 51,45) und Raiffeisen (plus 56,77) verbuchen. Größter Verlierer war mit einem Minus von rund 38 Prozent die Telekom Austria.

Vorsichtiger Optimismus

Trotz der Unwägbarkeiten der Euro-Schuldenkrise und der stotternden Konjunktur konnte sich der ATX also gut behaupten. Und das sollte auch 2013 so weiter gehen, meinen zumindest die Finanzmarkt-Experten der Erste Group. Man erwarte ein knapp zweistelliges Gewinnwachstum.

Aber auch das Potenzial für Rückschläge bleibt hoch. Der Chefanalyst der Erste Group, Friedrich Mostböck, betont daher: "2013 wird kein stilles Jahr werden." Die volkswirtschaftliche Situation sei noch immer verletzlich.

Auch die europäische Schuldenkrise ist trotz der Beruhigung in den vergangenen Monaten noch nicht überwunden. Mit Sorge blickt etwa so mancher Finanzmarkt-Akteur den italienischen Wahlen im Februar entgegen. Sollte dabei auch der derzeitige Sparkurs "abgewählt" werden, könnte es schnell wieder ungemütlich werden.

Doch die Aktienmärkte profitieren insbesondere von den historisch niedrigen Leitzinsen, die dafür sorgen, dass klassische Geldanlageformen derzeit keine Rendite abwerfen. "Wir hatten eine Renaissance der Aktie, aber keiner hat's bemerkt", so Birgit Kuras, seit März im Vorstand der Wiener Börse.

Alles paletti also? Ganz so ist es nicht. Während nämlich die Kurse zuletzt wieder nach oben zeigten, gingen die Umsätze an den Börsen weiter nach unten. Insbesondere das Vertrauen der Privatanleger ist nach den Verwerfungen der vergangenen Jahre noch nicht wieder hergestellt. Ob es 2013 wieder einmal zu einem Börsengang in Wien kommt, steht ebenfalls in den Sternen.