Es ist einer dieser viel zu warmen Herbsttage in diesem Jahr. Bis man den umgebauten Hof findet, dauert es seine Zeit, denn das Navigationsgerät hat die Adresse hoch über Abtenau nicht gespeichert. Hat man ihn gefunden, genießt man die Aussicht und bewundert die Gebäude. In eines davon geht es hinein – und hinter den Türen verbirgt sich ein komplettes Trainingszentrum. Dahinter, den steilen Hang hinauf, lässt ein Blick erahnen, dass hier schon der eine oder andere Tropfen Schweiß geflossen ist.

Es ist das Reich von Marcel Hirscher – oder besser von dessen Konditionstrainer Gernot Schweizer. Der gebürtige Deutsche schuf hier alle Grundlagen, um aus guten Sportlern noch bessere zu machen. Oder besser: um ihre Körper auf die zu erwartenden Belastungen vorzubereiten. Seit diesem Sommer hat Hirscher einen Trainingspartner: Max Franz. "Die Möglichkeit hat sich aufgetan", sagt der Kärntner knapp, "für Marcel war es okay und Gernot wollte auch mit mir trainieren." Der Hauptgrund für die Entscheidung, viele Tage und Wochen in Abtenau zu verbringen, ist aber ein anderer: "Mir ging es um das individualisierte Training, die Rundumbetreuung. Hier hast du alles: Konditions-, Kraft- und Koordinationstraining, dazu Massagen, Sauna, Therapie."

Der Sieg

Der Hintergedanke ist klar: Mit besserem Training will Franz die nächste Stufe im Weltcup nehmen – die oberste im Idealfall. "Dagegen hätte ich nichts", sagt Franz, "aber da muss halt viel zusammenpassen, erzwingen kannst du Platz eins eben nicht. Du kannst nur versuchen, die Grundlagen dafür zu schaffen."

Grundlagen – die werden genau hier in Abtenau erarbeitet. "Wir machen viele unterschiedliche Sachen, das Training ist vielseitig." Was das bringt? "Du kannst dich in gewissen Situationen besser retten – es geht letztlich immer um Körperbeherrschung. Und die lernt man mit vielfältigem Training besser, als wenn man nur in die Kraftkammer geht oder nur läuft oder auf dem Rad sitzt."

Vielseitigkeit

Was das heißt – Vielseitigkeit – wird dann auch demonstriert. Franz balanciert auf zwei großen Gymnastikbällen, macht dabei Kniebeugen. Dann wechselt er auf einen kleinen Ball und macht darauf Oberkörperübungen.

Es folgt Rumpftraining, ehe es ins Freie geht. Hocksprünge mit eigens angefertigten, mit Blei beschwerten Abfahrtsstöcken, Sprints die Holztreppe hinauf und hinunter. Wieder Sprünge in Abfahrtshocke, gefolgt von Liegestützsprüngen. Die Stufen bergab, wohlgemerkt.

Äußerlich verändert

Rein äußerlich hat sich das geänderte Training samt Qualen – auch zu sehen im Kitzbühel-Film „One Hell of a Ride“, der am 25. Dezember in die Kinos kommt und in dem Franz eine Hauptrolle einnimmt – schon bemerkbar gemacht. „Mir fällt es ja nicht so auf, aber andere, die mich über den Sommer gesehen haben, meinten schon: ,Du siehst anders aus.'"

Wiewohl noch viel Potenzial besteht, wie Franz erklärt: "Schau dir doch den Marcel an – der trainiert aber schon vier Jahre mit Gernot."

Die Wahrheit auf der Piste

Die Wahrheit, die liegt aber ohnehin nicht im Kraftraum, sondern auf der Piste. Heute etwa beim Saisonauftakt in Lake Louise, wenngleich auch auf weicher Piste. Nicht unbedingt ein Nachteil für den Instinkt-Skifahrer, den es erst dann so richtig kitzelt, wenn andere schon abschnallen; kein Wunder, dass Franz als einer der besten gilt, wenn es ums Skifahren abseits der Tore geht.

„Aber genau da lernt man es – und ich meine nicht nur im Tiefschnee. Sich eine Linie zu suchen, bei Buckeln, im Wald – zu sehen, ob ein Baum kommt, ein Busch im Weg ist – das hilft dir auch bei den Rennen“, ist er überzeugt.
Was fehlt, sind – wie bei allen anderen – Trainingskilometer. Das muss aber nicht viel heißen: Vor zwei Jahren fuhr Franz zum Saisonauftakt in Lake Louise auf Platz zwei. Die Kraft dafür hätte er diesmal auch.

Michael Schuen