Der Winter naht. Rein kalendarisch ist das auch hierzulande so. Dabei ist der Herbsttag in Altenmarkt fast golden, die Sonne wärmt wie im Spätsommer und die zahlreichen Skistars gehen im T-Shirt vor die Eingangstür des neuen „APC“, wie Atomic sein neues „Performance Center“ nennt. „Jetzt haben wir unseren Rennstall“, lobt Marcel Hirscher inmitten von (Renn-)Ski, Schuhen, Helmen, Brillen und Werktischen. Das Zentrum für den Rennsport, in dem man eine Station nach der anderen abgehen kann und am Ende, wie es Marcel Hirscher salopp formuliert, „mit Sicherheit sagen kann, dass es nicht am Material liegt, wenn man nicht schnell ist“. Und auch Hirscher zieht – abseits des „Commitments zum Rennsport, das mir ein gutes Gefühl gibt“ – noch einen anderen Vorteil für sich: „Endlich habe ich eine Antwort auf die Frage, wo man sich solche Rennski wie die meinen kaufen kann. Hier.“

Überraschung im Training

Kaufen muss sich Hirscher seine Ski nicht. Und überhaupt hat er sie über den Sommer auch eher im Eck stehen lassen, wie im Vorjahr. Heuer ging er noch einen Schritt weiter, strich die Reise nach Übersee und versucht, nur mit Trainingstagen auf den Gletschern auszukommen. „Es ist ein mutiger Schritt“, beeilt er sich zu betonen. Bisher aber einer ohne Folgen: „Im Moment habe ich genau gleich viel Tage auf Schnee wie im Vorjahr.“ Zu tun gibt es noch genug. Im gemeinsamen Training auf dem Pitztal wurde der viermalige Weltcup-Sieger von der Darbietung eines Kollegen überrascht: Matthias Mayer fuhr Bestzeiten, er selbst nicht, sagt Hirscher. „Dass er vorne war, war auch für mich überraschend, da habe ich mich selbst gefragt, wie das geht. Ich will nicht von einer Formkrise sprechen, aber es rauchen zumindest die Köpfe. Bei mir und meinem Team“, erzählt Hirscher, der ergänzt: „Es sind noch 20 Tage bis Sölden – und die braucht es für mich auch, bis es losgehen kann. Ich bin zwar um diese Zeit des Jahres nie der Schnellste, aber in solch einer Deutlichkeit hört man das nicht oft von mir.“

Noch sind Sorgen unangebracht, was Hirscher braucht, sind einzig gute Verhältnisse. „Wenn die Qualität im Training passt, dann war die Entscheidung, nicht nach Übersee zu gehen, richtig.“ Eine Entscheidung, mit der er nicht allein ist. Auch die Liechtensteinerin Tina Weirather setze dieses Jahr auf Gletscher statt Südamerika. Sie ist wie Mikaela Shiffrin, die einen wahren Interview-Marathon absolviert, nach der Welle an Rücktritten eine der ersten Herausforderinnen von Anna Fenninger im Kampf um den Gesamtweltcup. „Ich bin bereit, ich bin lange genug dabei, um damit umgehen zu können“, tönt Weirather.

Strahlender Raich

Zurück nach Altenmarkt. Hirscher, selbst „erst“ 26 Jahre jung, ist auf einmal einer der Älteren, die noch um Punkte fahren. Ein Routinier. Stephan Eberharter oder Michael Walchhofer schauen als Skipensionisten vorbei. Benjamin Raich, der mit Frau Marlies kam, und Kathrin Zettel werden mit eigens angefertigten Brettln als Dank für ihre großen Karrieren beschenkt. „Das ist wohl der Wandel der Zeit“, sagt Hirscher lächelnd auf die Frage nach dem Generationswechsel. „Es ist doch schön zu sehen, wie Benni strahlt. Und es wird bei jedem nicht anders sein, irgendwann kommt einer, der gewisse Dinge doppelt so schnell erledigen kann wie man selbst. So ist das halt. Und ich bin jetzt – mit einigen anderen – eben schon zu einem der Älteren geworden.“

Raich genießt es, das Wettrennen vor den ersten Wettrennen nicht mehr mitmachen zu müssen. Nicht ans Material zu denken, ans Training, sondern daran, wie die beste Route mit Frau Marlies in die Geburtsklinik ist. Übrigens: Der Geburtstermin des Nachwuchses ist just in drei Wochen. Passend zum Weltcup-Auftakt eben.

MICHAEL SCHUEN