Die Enttäuschung saß Dominic Thiem nach der knappen Finalniederlage natürlich noch in den Knochen. Dennoch richtete der 22-jährige Niederösterreicher schon bald den Blick nach vorne. Drei Wochen vor Beginn seines großen Saisonhöhepunkts, den French Open in Paris, hat Thiem schon sehr gute Sandplatzform bewiesen.

"Natürlich muss man mit dieser Woche und einem Finale zufrieden sein. Aber es tut extrem weh, wenn man in einem Finale mit 7:6 im dritten Satz verliert", konstatierte Thiem am Sonntag im Gespräch mit der APA - Austria Presse Agentur. "Aber Kohli hat letztes Jahr hier im Finale mit 6:7 im dritten verloren und ich habe heuer in Buenos Aires zweimal mit 7:6 im dritten (gegen Nadal und Almagro im Halbfinale und Finale, Anm.) gewonnen. Es kommt eben alles einmal zurück und keine Serie hält ewig."

Kohlschreiber habe in den entscheidenden Momenten einfach besser gespielt, die kühlen Temperaturen und der recht tiefe Platz seien kein Nachteil für ihn gewesen. "Der Spin ist trotzdem recht gut weggesprungen."

"Sie hat mich trotzdem gern"

Natürlich hätte Thiem, der neben dem Siegerscheck auch ein BMW Cabrio gewonnen hätte, vor allem seiner Mutter gerne einen Titel zum 44. Geburtstag am "Tag der Arbeit" geschenkt. "Ja, sicher", meinte er lachend und fügte hinzu, "aber ich glaube, sie hat mich trotzdem gern."

Mit dem Start in die europäische Sandplatzsaison ist Thiem zufrieden. "Günter (Bresnik, Anm.) wollte, dass ich bis zu den French Open 15 Matches gespielt habe, jetzt habe ich schon sieben." Die French Open als sein ganz großes Ziel können kommen, doch zunächst geht es nach Madrid. "Ich freue mich auf Madrid, habe dort ja gute Erinnerungen und voriges Jahr konnte ich ja leider nicht dort spielen." Vor Jahresfrist hatte sich das München-Turnier wegen Regens verzögert und Thiem verpasste dadurch die Madrid-Qualifikation. 2014 erreichte Thiem nach einem Sieg über Stan Wawrinka, dem ersten über einen Top-Ten-Spieler, das Achtelfinale.

Immerhin kann er mit 29:8-Siegen 2016 nach Spanien reisen, er hat einen Sieg mehr als Novak Djokovic (28:2) auf dem Konto stehen. "Ja, das stimmt, aber ich fürchte, das wird sich nach Madrid wieder ändern", meinte er lachend.

Hauchdünne Niederlage

Mit einer 14:0-Siegesbilanz in Entscheidungssätzen in diesem Jahr war Dominic Thiem am Sonntag in sein insgesamt siebentes Endspiel auf der ATP-Tour gegangen. Im 15. Match im Finale von München ist diese Serie zu Ende gegangen. Thiem verpasste seinen sechsten Titel auf der Tour und unterlag dem Deutschen Philipp Kohlschreiber nach 2:32 Stunden hauchdünn mit 6:7(7),6:4,6:7(4).

Der 22-jährige Niederösterreicher kämpfte sich trotz eines 2:5-Rückstandes im entscheidenden Satz noch einmal zurück und wehrte bei 4:5 und 15:40 zwei Matchbälle ab. Thiem erreichte noch das Tiebreak, musste sich aber auch im zweiten Aufeinandertreffen dem zehn Jahre älteren Kohlschreiber beugen. Es war im siebenten Endspiel seiner Karriere die zweite Niederlage für Thiem, der 2016 schon die Turniere in Buenos Aires und Acapulco gewonnen hat. Der erste Sieg eines Österreichers in München blieb Thiem aber ebenso verwehrt wie seinerzeit Thomas Muster, der 1990 im Endspiel verloren hatte.

"Niederlage ist extrem schmerzhaft"

"Gratuliere, Kohli. Es war ein sehr spannendes Finale, auch für die Zuschauer. Auch wenn das natürlich schwer zu sagen ist, denn die Niederlage ist extrem schmerzhaft", sagte Thiem noch auf der Anlage in Richtung Kohlschreiber, mit dem ihm eine Freundschaft verbindet. "Ich werde mit sehr positiven Erinnerungen nach Madrid kommen. Es gibt einen würdigen Sieger", erklärte Thiem, der sich auch bei den Zuschauern bedankte. Vor allem bei jenen, die auch bei Schneefall und Kälte im Verlauf der ungewöhnlichen Woche in München gekommen waren.

Ungewöhnlich war auch der Finalverlauf. Thiem sah sich gleich im Auftaktgame dem ersten Breakball gegenüber und musste zum 1:2 den Aufschlag auch schon abgeben. Es sollte nicht der einzige Serviceverlust im ersten Satz bleiben, denn beide Spieler mussten ihren Aufschlag je dreimal abgeben, ehe es ins Tiebreak ging. Davor hatte Kohlschreiber bei 5:4 drei Satzbälle nicht nützen können und auch im "Jeu decisif" gelang es dem Deutschen erst mit dem achten (!) Satzball die 1:0-Führung herzustellen.

Thiem, der im Verlauf der Woche wesentlich mehr Zeit auf dem Platz verbracht hatte als der ohne Satzverlust ins Endspiel gekommene Kohlschreiber, schaffte mühevoll den Satzausgleich nach 1:42 Stunden. Im entscheidenden Durchgang geriet Thiem nach einem Service-Verlust zum 2:4 mit 2:5 in Rückstand. Thiem schaffte das Rebreak zum 4:5 und wehrte zwei Matchbälle ab. Als Kohlschreiber im Tiebreak bei 6:4 die nächsten Matchbälle vorfand, ließ sich der Lokalmatador den Sieg aber nicht mehr nehmen.

Jetzt wartet Del Potro

Es war im zweiten Duell mit Kohlschreiber nach der Halbfinal-Niederlage in Kitzbühel 2015 auch die zweite Niederlage des Weltranglisten-15. aus Lichtenwörth. Thiem wird ab Montag wieder Nummer 14 der Welt sein, er hat in München 150 ATP-Zähler sowie 43.430 Euro (brutto) gewonnen. Schon kommende Woche geht es für ihn beim Masters-1000-Turnier in Madrid weiter, wo er auf Juan Martin Del Potro (ARG) trifft.

Kohlschreiber, der in seinem "Wohnzimmer" München seinen bereits dritten Titel holte (in fünf Finali), war nach dem harterkämpften siebenten Karriere-Titel "irgendwie sprachlos". Zu Thiem meinte er: "Du wirst das Turnier noch gewinnen, meine Zeit wird bald zu Ende sein. Es hat 'Monster-Spaß' gemacht". Der in Kitzbühel lebende Kohlschreiber bedankte sich in seiner Siegesansprache nicht nur beim eigenen Team, sondern auch beim Betreuerteam von Dominic Thiem. "Sie drücken mir immer die Daumen, wenn ich nicht gegen Dominic spiele. Es ist eine tolle Freundschaft entstanden."