Sie sind heuer erstmals Direktor der Österreich-Rundfahrt. Wohin geht die Reise?
WOLFGANG WEISS: Von Ost nach West und Nord nach Süd. Im Ernst: Wir fahren quer durch alle Bundesländer, über die schönsten Berge. Es ist eine sehr abwechslungsreiche Rundfahrt, mit allem, was man braucht. Und die letzte Etappe wird auch noch entscheidend sein. Dazu kommt: Wenn man auf die Startliste schaut, dann darf man sagen, dass wir unserem Slogan „Creating Heroes“ gerecht werden. Wir wollen junge Fahrer in den Mittelpunkt rücken, die dann irgendwann bei den großen Touren – Tour de France, Giro, Vuelta – auch ihren Platz finden. Das kann ganz spannend werden.

Apropos Tour de France: Manche kritisieren den Termin parallel zur Tour. Was sagen Sie?
WEISS: Was die Zukunft bringt, weiß ich nicht. Ich habe diesen Termin übernommen, der war nicht veränderbar. Klar ist: Die weltweite Aufmerksamkeit des Radsports liegt auf diesem Termin, aber eben auf der Parallelveranstaltung in Frankreich. Aber so viel tut sich dort nicht in den ersten Tagen, da kommt schon was anderes auch unter. Und das Andere, das sind eindeutig wir. Wir werden registriert, das zeigen unsere Clippings. Und zwar in Nationen, wo wir als alleinstehender Termin wohl Probleme hätten.

Gibt es keine Nachteile?
WEISS: Zu einem anderen Termin hätten wir vielleicht die großen Stars, auch wenn wir sie dann einkaufen müssten. Und dann weiß man nie, ob sie wirklich wollen oder eine Urlaubsfahrt haben. Unsere Philosophie ist, dass wir Jungen, vorwiegend Österreichern, den Steigbügel geben, sich international zu messen. Dafür kreiert man ja eine Österreich-Rundfahrt.

Nur für die Österreicher?
WEISS: Nein. 2003 etwa, da kannte keiner Cadel Evans. Der gewann in Österreich, wurde dann zum Star. Auch ein Jakob Fuglsang, ein Peter Kennaugh – die kannte keiner, bevor sie bei uns gewonnen haben. Jetzt sind sie bei der Tour.

Die großen Namen fehlen aber trotzdem. . .
WEISS: Wir haben uns festgelegt, dass wir nur das Mindeststartgeld zahlen und nicht um jeden Preis Top-Teams wie Sky oder Movistar holen wollen. Wir haben sechs World-Tour-Mannschaften dabei, die mit wirklich guten, jungen Fahrern gekommen sind.
Sie haben die Richtung der Tour nicht nur sprichwörtlich geändert, sondern wirklich. Wien war lange Zielort, diesmal geht es in der Hauptstadt los. Warum?
WEISS: Ich wollte die Berge so spät wie möglich, damit nicht schon am Dienstag oder Mittwoch am Horn eine Entscheidung fällt. Dazu wollte ich Start- und Zielorte trennen. Das ist touristisch gut und auch logistisch, weil der Tour-Tross, der 650 Personen umfasst, auf zwei Orte aufgeteilt werden kann.

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Wie schwierig war denn die Organisation ihrer ersten Ö-Tour?
WEISS: Ich müsste lügen, wenn ich sage, dass es einfach ist. Ich war extrem motiviert, hatte am 1. Dezember 2014 eine Rundfahrt fertig, habe die Verträge verschickt. Und dann musste ich drei Etappen streichen, neu suchen. Dazu kam das Fernsehen. . .

Inwiefern?
WEISS: Der ORF meinte zunächst, dass die Übertragung mit einer neuen Technik billiger wird. Aber das ging dann nicht. Dazu haben mir die Übertragungszeiten nicht gepasst. Also haben wir gesagt: Wir machen es selbst. Wir haben diesmal ein eigenes Live-Signal, die letzten zwei Stunden vor dem Ziel. Zunächst 30 Minuten Zusammenfassung, dann live. Mit Kommentar und vielem mehr. Das kann man sich am Computer auch im Büro anschauen – sorry an die Chefs. Und im Schwimmbad auch am Handy. Das ist ein ganz neuer Weg. Und wir haben noch viel vor.

Was denn?
WEISS: Eigene Blogs, Ernährungsberatung – alles, was rund um Radsport passiert. Mein Zugang ist marketingtechnisch. Mein leider verstorbener 83-jähriger Onkel hat mir immer gesagt, dass es in den Pyrenäen zigtausende Schafe gibt. Das hat ihn an der Übertragung der Tour de France am meisten interessiert, das hat er goutiert. Diesen Weg, die Rundfahrt auch als touristisches Gut zu erkennen, will ich gehen. Der Rad-Tourismus hat Zukunft, extrem steigende Zahlen, touristische Partner sind extrem wichtig. Was ich brauche, ist eine leistbare Produktion, denn die Sendefläche – ob ORF, ob Eurosport – ist ja auch nicht gratis. Ich will, dass wir Österreich bekannter machen.

Worauf freuen Sie sich denn am meisten?
WEISS: Ich hab’ mich extrem darauf gefreut, dass es los geht. Denn davor hab ich über 14 Tage maximal zwei Stunden geschlafen. Es ist ein 24-Stunden-Job. Ein Beispiel: Zwei Tage vor Tour-Start habe ich 15.000 Liter Mineralwasser nachbestellt. Aber dann muss man auch den Transport noch organisieren.

Los ging es - und jetzt?
WEISS: Ich hoffe, dass unser neues Erscheinungsbild ankommt. Ich freue mich auf junge, aktive Radfahrer, die sich die Seele aus dem Leib fahren. Darauf, dass die Österreicher zeigen, was sie können. Unsere Idee, Helden zu kreieren war gut, wird von den Partnern goutiert. Es passiert etwas.

Etwas passieren - da denkt man im Radsport auch immer an Doping. Wie sehen Sie die Situation?
WEISS: Es kann immer was passieren, aber das ist in jeder anderen Sportart auch so. Es wird halt im Radsport immer groß gespielt, größer als bei den anderen. Aber ich gehe davon aus, dass alles gut funktioniert.

INTERVIEW:
MICHAEL SCHUEN