Nur knapp haben es Österreichs Handball-Männer am Sonntag bei der WM in Katar verpasst, Geschichte zu schreiben. Beim 27:29 (14:13) im Achtelfinale gegen die "Legionärstruppe" der Gastgeber reichte eine knappe Pausenführung nicht, um erstmals in der Nachkriegszeit den Sprung unter die besten acht zu schaffen.

In der mit rund 10.000 Fans für katarische Verhältnisse gut gefüllten 15.300er-Halle von Lusail zeigten Viktor Szilagyi und Co. vor den Augen der Fußballmeistermannschaft Red Bull Salzburgs sowie des Emirs von Katar über weite Strecken die wohl beste Leistung im Turnier, mussten sich im Finish aber doch geschlagen geben. Zu viele liegen gelassene Chancen sollten sich am Ende bitter rächen. Das Turnier ist für die Österreicher damit beendet. Abhängig von den anderen Partien ist maximal Platz 13 möglich.

Anfangsnervosität

Zu Beginn waren ein Lattenpendler von Raul Santos beim Konter (4.) sowie ein technischer Fehler im Gegenstoß (5.) Zeichen einer Anfangsnervosität, die sich nach und nach legen sollte. Nach zwei Treffern von Maximilian Hermann en suite sowie einem schönen Tor von Youngster Nikola Bilyk ging Österreich erstmals seit dem 1:0 wieder 5:4 in Führung. Weil Santos in der Folge aber zwei gute Chancen vergeigte, und Szilagyi sowie Fabian Posch von sechs Metern unmittelbar hintereinander an Katars Topgoalie Goran Stojanovic scheiterten (15.), setzten sich die Hausherren wieder auf 8:6 (17.) ab.

Die rot-weiß-rote Defensive agierte variabel und stand zumeist solide, hatte lediglich mit Wurfkanone Zarko Markovic (8 Tore) gröbere Probleme. Romas Kirveliavicius verbaute sich mit einem Stürmerfoul vorerst die Möglichkeit auf den 9:9-Ausgleich. Es folgte eine Zwei-Minutenstrafe für Posch (20.), die man aber sogar mit 1:0 gewann: Goalie Nikola Marinovic zwang Markovic vom Siebenmeterpunkt ebenso zu einem Fehlwurf wie Memisevic vom Flügel, und Santos schrieb mit dem 9:9 erstmals an (24.). Doch der Flügelflitzer von Gummersbach blieb launisch: Erst scheiterte er im Konter neuerlich an Stojanovic, erhielt gleich darauf aber die nächste Chance - und nützte diese zur 11:10-Führung.

14:13-Pausenführung

Die nächste Bewährungsprobe kam kurz vor der Halbzeit, als Österreich nach Zeitstrafen für Kirveliavicius und Weber fast zwei Minuten mit nur vier Feldspielern agieren musste. Und dank eines Treffers von Lucas Mayer überstand man diese sogar mit dem Score von 1:1. Posch sorgte kurz vor Abpfiff sogar für die 14:13-Pausenführung.

Weber und Maximilian Hermann legten bei Wiederbeginn zwar nach, dann aber folgten sechseinhalb Minuten ohne ÖHB-Tor und die 18:16-Führung für Katar (39.). Erst Weber verkürzte per Siebener auf 17:18 (40.), wenig später auf 18:19 (42.). In der 47. Minute hatte Rot-Weiß-Rot wieder ausgeglichen (21:21), es blieb aber eine Nervenschlacht. Santos scheiterte im Konter (48.), in Unterzahl kassierte man das 22:23 (50.). Bilyk scheiterte im Konter wie Santos kurz davor an dem eingewechselten Schlussmann Danijel Saric (51.), auf der anderen Seite hielt der kurz nach der Pause gekommene Thomas Bauer Rot-Weiß-Rot mit mehreren Paraden im Spiel.

Bauer glänzte in der Schlussphase mit einem gehaltenden Siebener (55.), Bilyk nutzte den folgenden Angriff zum 24:24-Ausgleich (56.). Als Österreich in Unterzahl das 24:26 hinnehmen musste (57.), war die Vorentscheidung gefallen. Nicht zuletzt Goalie Saric wurde zum Sargnagel der ÖHB-Truppe, die sich im Finish von den Unparteiischen auch ungerecht behandelt fühlte.

Stimmen:

Patrekur Johannesson (ÖHB-Teamchef): "Wir haben alles gemacht, was wir konnten. Eigentlich war es ein gutes Spiel, aber wir haben einige freie Chancen ausgelassen. Jeder Spieler war an seiner Grenze, wir haben alles gemacht. Die Spieler und wir alle, wir können uns keine Vorwürfe machen. Katar hat eine unglaubliche Mannschaft, ich glaube die werden Weltmeister. Ich habe die Schiedsrichter das ganze Spiel in Ruhe gelassen. Zu ihrer Leistung will ich keinen Kommentar abgeben. In einem so knappen Spiel, da müssen wir die Bälle reinmachen. Die Spieler haben ihre Sache gut gemacht. Ich bin stolz, das ist eine Riesensache für Österreich. Klar bin ich enttäuscht, aber morgen oder übermorgen werden wir weiterarbeiten. Ein Riesenkompliment an alle. Es hat Spaß gemacht, aber es hat knapp nicht gereicht."

Viktor Szilagyi (ÖHB-Kapitän): "Natürlich ist die Enttäuschung riesengroß. Ich kann das nicht in Worte fassen. Wir haben sehr, sehr viel investiert. Nicht erst heute, sondern seit dem 2. Jänner, seit wir zusammen sind. Das Spiel lief auch in die Richtung, wie wir uns das erhofft haben, nur das Ende nicht. Es war ein sehr, sehr knappes Spiel. Wir haben vielleicht zu viele Bälle verworfen in einigen freien Situationen, um am Ende gewinnen zu können. Wir haben sehr, sehr viele Offensivfouls gemacht, in der zweiten Hälfte vor allem. Da haben die Katarer anscheinend gut gedeckt. Ich bin sehr stolz auf uns, wie wir hier insgesamt aufgetreten sind. Wir hätten uns das Viertelfinale auch verdient. Es ist jetzt kein guter Moment, über meine Zukunft im Nationalteam zu sprechen. Ich werde das alles in Ruhe Revue passieren lassen."

Thomas Bauer (ÖHB-Torhüter): "Vielleicht können wir in zwei, drei Tagen realisieren, was wir hier geschafft haben. Im Moment überwiegt aber ganz klar die Enttäuschung. Wir hätten unter die besten acht kommen können und müssen, weil wir die bessere Mannschaft waren. Wir hatten schon den ganzen Tag ein gutes Gefühl. Es war alles angerichtet, den Gastgeber rauszuhauen. Die letzten fünf Minuten, die kann ich mir auf Video, glaube ich, nicht anschauen. Ich habe zum Schiedsrichter gesagt, dass er bis zur 55. Minute der beste Schiedsrichter des Turniers war. Den Rest kann man sich denken."