Lässiger Schritt, coole Mimik, wirkungsvolle Gesten, ein paar eher leise, aber für heutige Formel-1-Verhältnisse sogar eher aussagekräftige Sätze: Ein typischer Auftritt von Lewis Hamilton, irgendwann in den letzten Wochen, fast schon Monaten, in irgendeinem Fahrerlager – ob in Europa, Asien oder Amerika. Der alte und neue Weltmeister ist das personifizierte Selbstvertrauen. Nichts scheint den 30-Jährigen erschüttern, nichts ihn aufhalten zu können. Party machen auf den Bahamas oder in Miami, Night-Clubbing in Los Angeles, ein Foto mit Kendall Jenner hier, das nächste dann mit Rihanna dort, ein paar Abstecher ins Musikstudio, um an seinen eigenen Songs weiter zu arbeiten, dazwischen einmal um die halbe Welt jetten, um dann im Formel-1-Auto wieder auf den Punkt seine Leistung zu bringen – scheint im Moment alles kein Problem zu sein. „Ich bin besser denn je – und alles andere wäre auch für mich selbst eine Enttäuschung“, stellt er dabei seine hohen eigenen Ansprüche gern klar.

Weltweit gesehen ist Hamilton sicher ein sehr populärer Weltmeister – gerade weil er durch Lebensstil und Optik mit vielen Tattoes und schweren Goldketten auch polarisiert. Einen ganz wichtigen „Fan“ hat er ja in Bernie Ecclestone. Weil er eben die Formel 1 weltweit auch ins Blickfeld der Nicht-Rennsportfans rückt. Für den Formel-1-Boss war Hamilton schon bei seinem Formel-1-Debüt 2007 eine „Lichtgestalt“: Der erste Farbige als Formel-1-Star, der fröhliche Youngster, der unbekümmert das ganze Establishment durcheinander wirbelt, der Familienmensch, der sich rührend um seinen behinderten Bruder kümmert - all das war damals im Jahr Eins nach Michael Schumacher natürlich eine wunderbare Geschichte...

Der kleine Lewis, britisches Einwandererkind mit karibischen Wurzeln, aufgewachsen im Arbeiterstädtchen Stevenage, nicht gerade einem Highlight der immer noch so klassenbewussten britischen Gesellschaft, dessen Vater Anthony und die gesamte Familie gerade am Anfang viele Opfer bringen mussten, um Lewis seine Rennsportkarriere zu ermöglichen, ist heute ein Weltstar. Einer, der sich zumindest nach außen auch gern als solcher gibt, der aber auch auf der Strecke durch seine kompromisslose und angriffslustige Fahrweise, in der sich oft seine innere Emotionalität ein bisschen widerspiegelt, viele Rennfans begeistert. In dieser Beziehung sieht sich ja gern ein bisschen in der Tradition eines Ayrton Senna, seines großen Idols. Weswegen es ihm ja so viel bedeutet, jetzt in der Zahl der WM-Titel mit Senna gleichgezogen zu haben.

Klar ist auch: Fährt Hamilton in seiner derzeitigen Form weiter und bleibt Mercedes gleichzeitig noch mindestens ein, vielleicht sogar zwei Jahre das dominierende Auto, wovon die meisten Experten angesichts der gegenwärtigen Reglement-Situation ausgehen, dann kann er jetzt, mit ein paar Jahren Verzögerung, das wahrmachen, was schon am Anfang seiner Karriere von ihm erwartet wurde: Zum dominierenden Piloten einer ganzen Epoche zu werden, ein Ära zu prägen, wie ein Juan Manuel Fangio, ein Jim Clark, ein Jackie Stewart, ein Ayrton Senna oder ein Michael Schumacher oder zuletzt auch ein Sebastian Vettel.

Der war es, der zunächst einmal die Lücke füllte, als der ganz junge Lewis Hamilton die in ihn gesetzten Erwartungen nicht sofort komplett erfüllen konnte. Nach dem ersten WM-Titel 2008, mit ein bisschen Glück damals in der letzten Kurve in Interlagos durch ein Überholmanöver gegen Timo Glock errungen, ging es erst einmal eher bergab. Der McLaren erwies sich im Laufe der nächsten Jahre nicht mehr als absolut konkurrenzfähig. Das Verhältnis Hamiltons zu seinem Team, auch zu „Übervater“ Ron Dennis, der ihn ja schon als Teenie unter seine Fittiche genommen hatte, litt. Aich Lewis selbst hatte wohl ein paar Probleme, zu sich selbst, zu seiner eigenen Persönlichkeit zu finden.

Der Wechsel 2013 zu Mercedes, von vielen in der Formel 1 zunächst eher kritisch gesehen, weil man den Silbernen einen schnellen Aufschwung nach ganz oben nicht so richtig zutraute, erwies sich dann als genau der richtige Schritt. Fahrer und Team wuchsen zusammen und vielleicht auch aneinander. Er betont dann auch oft, wie wichtig Mercedes für ihn sei: „Ich freue mich sehr darüber, hier meinen Platz gefunden zu haben, ein Teil dieses Teams zu sein, es erreicht zu haben, hier so akzeptiert und respektiert zu werden. Und ich glaube, ich habe schaffe es auch immer wieder, genau das abzuliefern, was man von mir erwartet.“

Persönlich scheint ihm auch das endgültige Ende der sich zuletzt über Jahre hin schleppenden On-and-Off-Beziehung zu Ex-Pussycat Nicole Scherzinger und die neue Freiheit gut zu tun. Auch wenn dann einmal ein Ausflug auf einen Schießstand in den USA und das Herumballern dort mit einer Maschinenpistole für heftigen Ärger in den von ihm so bereitwillig und gern genutzten sozialen Medien führt. Und auch wenn man auch auf oberster Mercedes-Ebene vielleicht nicht immer ganz glücklich über die eine Eskapade oder den anderen abgesagten PR-Termin seines höchstbezahlten Angestellten ist: So lange die Ergebnisse stimmen und auch der Aufmerksamkeits- und Werbewert gerade bei jüngeren, hippen Zielgruppen, ist das letztlich alles doch absolut geschenkt...

KARIN STURM, AUSTIN