Im "Jahr zwei" der neuen Motorengeneration ist Red Bull Racing erneut in der Jägerrolle zu finden. Das österreichische Formel-1-Team ist nach vier WM-Titeln in Folge im Vorjahr brutal von der Spitze geholt worden und hat zudem Sebastian Vettel an Ferrari verloren. Mit Daniel Ricciardo (25) und dem 20-jährigen Russen Daniil Kwjat setzen die "Bullen" konsequent den Weg mit eigenen Fahrern fort.

Von 2010 bis 2013 hatte das im englischen Milton Keynes beheimatete Austro-Team die Formel-1-WM beherrscht und dabei sowohl die Konstrukteurs- als auch mit Vettel den Fahrertitel viermal in Folge gewonnen. Mit den neuen V6-Turbo-Hybridmotoren kam aber auch das Ende der Dominanz. Denn Mercedes hatte 2014 die Hausaufgaben am besten gelöst, während man bei Red Bull vor allem über fehlende PS der neuen Renault-Antriebsstränge klagte.

Verfolger Nummer eins

Platz zwei in der Teamwertung sowie WM-Rang drei für Ricciardo zeigten aber doch, dass das von Teamchef Christian Horner, Motorsport-Berater Helmut Marko und Dietrich Mateschitz dirigierte Team seine Hausaufgaben prinzipiell gemacht hatte. Ricciardo war der einzige Fahrer, der die beiden Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg besiegen und in Kanada, Ungarn und Belgien gleich drei Saisonsiege einfahren konnte. Dass der zuvor so dominante Vettel nur WM-Fünfter wurde, forcierte dessen Absprung zu Ferrari.

Ricciardo ist nun auch formell der Nummer-eins-Pilot bei den "Bullen". Der Australier überzeugt seit Jahren mit Speed und Fehlerlosigkeit. Der vom Schwesternteam Toro Rosso gekommene Kwjat wird es schwer haben, sich zu behaupten.

Ob und wie sehr es mit Red Bull 2015 vorwärtsgeht, wird vor allem von Renault abhängen. Die Frage ist, wie viel vom einstigen PS-Manko die Franzosen, deren Triebwerke den beiden Red-Bull-Teams nun exklusiv zur Verfügung stehen und für deren Weiterentwicklung man sich die Dienste des Schweizer Motorenbauers Mario Illien (Illmor) gesichert hat, wettgemacht haben. Die Wintertests waren zumindest hinsichtlich Kilometerausbeute und Standfestigkeit etwas vielversprechender als im Vorjahr, als sich das Desaster schon vor WM-Beginn abgezeichnet hatte. Diesmal wickelte man in der Vorbereitung dreimal so viele Kilometer ab.

Der RB11 ist das letzte Auto, bei dem sich Konstrukteursgenie Adrian Newey noch weitgehend eingebracht hat. Ab 2016 wird sich der Engländer vermehrt anderen Bereichen wie dem Segelsport widmen. Bei den Testfahrten war der neue Bolide sogar im "Tarnkappen-Look" lackiert, um der Konkurrenz Aufschlüsse so schwierig wie möglich zu machen. Ab dem Saisonstart in Melbourne wird das Erfolgsteam aber wieder im traditionellen Dunkelblau/Violett antreten.

Verkaufsgerüchte

Das spannendste Winter-Thema rund um Red Bull Racing waren freilich Verkaufsgerüchte. Das Unternehmen habe auf der Formel-1-Piste alles erreicht und könnte - wie schon in der Rallye-WM oder dem Air Race - künftig auch in der Formel 1 als Promoter auftreten und daher beide Teams verkaufen wollen, hieß es. VW bzw. Audi habe nur deshalb als Interessent abgesagt, weil VW-Chef Ferdinand Piech sein Veto eingelegt habe. Mateschitz selbst dementierte Verkaufsgedanken Ende Februar auf einer hauseigenen Internet-Plattform.

Zumindest sportlich bleibt 2015 also alles beim Alten. Und Mateschitz ist offenbar überzeugt, dass Mercedes weiterhin außer Reichweite ist. "Wenn es ihnen (Renault, Anm.) gelingt, das PS-Manko gegenüber Mercedes auf 40 bis 50 zu reduzieren, sind wir in einem Bereich, in dem wir mit einem guten Auto Herausforderer sein können", bekannte sich der bald 71-jährige Teambesitzer in den "Salzburger Nachrichten" zur Jägerrolle.

Bemerkenswert hohe Erwartungen hat man für 2015 im Zweitteam Toro Rosso, obwohl die Scuderia aus Faenza mit Carlos Sainz jr. (20) sowie dem erst 17-jährigen Max Verstappen und damit der jüngsten Fahrerpaarung der WM-Geschichte antritt. Der österreichische Teamchef Franz Tost hält das Risiko mit den beiden jungen Grand-Prix-Debütanten aus dem hauseigenen Junioren-Programm für vertretbar und Platz fünf in der Konstrukteurs-WM mit dem STR10 für machbar. "Beide sind reifer, als man denkt", gab es Vorschuss-Lob für die beiden Söhne bekannter ehemaliger Autorennfahrer.