Was zählt zum Ungünstigsten, das einer Mannschaft während der Qualifikation für ein Großereignis passieren kann? Richtig, Unruhe innerhalb der Truppe. So gesehen kann man von Glück sprechen, dass Österreich bereits das EM-Ticket für 2016 gelöst hat und man ohne Siegzwang in die ausstehenden Partien gegen Montenegro (9. Oktober, 20.45 Uhr) und Liechtenstein (12. Oktober) gehen kann.

Gerüchteküche

Denn das gewaltige Brodeln in der Gerüchteküche rund um die Person Marcel Koller ist auch den Teamspielern nicht verborgen geblieben. Nach der bisher tadellosen EM-Qualifikation, die Österreich in der Weltrangliste bis auf Platz elf nach oben gespült hat, ist um den Teamchef ein internationales G’riss entbrannt. Zwar haben die hohen Herren des ÖFB bereits signalisiert, den bis nach der EM laufenden Kontrakt mit Koller verlängern zu wollen, doch lässt sich dieser nicht in die Karten schauen und sagt: „Vertragsverhandlungen gibt es nach der Qualifikation.“

Zuletzt trudelten bei Koller verführerische Angebote ein. Wie jenes, das Schweizer Nationalteam zu übernehmen. Oder wie das Aktuellste, nach Gladbach zu gehen. Diesbezüglich soll es in Zürich ein Geheimtreffen gegeben haben. Dem hält der ÖFB entgegen, dass der Schweizer mit Österreich gute Chancen auf eine WM-Teilnahme 2018 hätte. Und das hat für Koller „sicherlich einiges an Erotik“, meint ÖFB-Boss Leo Windtner. Deshalb hier ein Pro & Kontra zu Marcel Koller und dem ÖFB-Team:

PRO: Es geht nur mit Marcel Koller

Topf. Deckel. Koller. Und wie sie gelästert haben, die Prohaskas, Polsters, Konsels. Eine österreichische Lösung muss her, hat es geheißen, bevor ÖFB-Generalsekretär Gigi Ludwig (ja, vor den Vorhang, der Herr!) einen Schweizer aus dem Hut gezaubert hat. Ein neuer Constantini wäre recht gewesen, einer von uns, damit wir nur ja schön weiter im Saft der Bedeutungslosigkeit braten können.

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Gelobet sei der Her ... bert, der eingestanden hat, dass Koller der einzige, wahrhaftige Teamchef ist, den Österreich gebraucht hat. Ein Vater. Bruder. Mensch, der Marco Arnautovic davor bewahrt hat, ein dicker, überschätzter Bad-Kicker beim Floridsdorfer AC zu werden, zum Beispiel. Ein Fußball-Fachmann, der die österreichische Nationalmannschaft auf Platz 11 der FIFA-Weltrangliste geführt hat.

Wer war g’schwind noch einmal Holland?

Marcel Koller ist der erfolgreichste Fußballtrainer, den Österreich je gehabt hat. Und vermutlich der sympathischste. Er vermittelt Fachwissen, ohne besserwisserisch zu wirken; er hat den Wiener Schmäh erlernt, ohne dafür geschmäht zu werden; er hat großen Anteil, dass die Kicker endlich aus dem Proleten-Eck ins Rampenlicht getreten sind. Und das, obwohl ihm bereits Verrat vorgeworfen worden war – nur weil Marcel Koller kurz in Betracht gezogen hat, für sein Heimatland Schweiz an der Linie zu stehen, ehe er kund tat, in Österreich seine Mission erfüllen zu wollen.

Nach der erstmaligen Qualifikation für eine Europameisterschaft wird das Team auch bei der kommenden WM mitspielen, so weit lehnen wir uns jetzt aus dem Fenster. Mit Marcel Koller. Oder ohne ihn, egal. Ein möglicher Nachfolger würde ein, zwei Jahre leger Trittbrett fahren, ehe er von der rot-weiß-roten Durchschnittlichkeit eingeholt wird. Und Arnautovic beim FAC dick da ist.     Harald Schume

KONTRA: Es geht auch ohne Marcel Koller

Keine Frage, seitdem Marcel Koller das Nationalteam dirigiert, rennt’s bei den einstigen Fußball-Mitläufern wie am Schnürchen. Doch hat der Schweizer ein entscheidendes Plus auf jenen steinigen Weg, der so viele seiner Vorgänger stolpern ließ, mitbekommen: Er kann auf rot-weiß-rote Fußballer zurückgreifen, die einer Jahrhundertgeneration entsprungen sind. So steht es außer Frage, dass man einem David Alaba, einem Zlatko Junuzovic oder Christian Fuchs nicht mehr das Fußballspielen erklären muss. Im Gegenteil, Österreichs Team ist derzeit gespickt mit Ballkünstlern, die bei internationalen Top-Adressen tragende Rollen einnehmen und mit entsprechendem Können und Selbstvertrauen in das Team-Dress schlüpfen.Ja, die heutige Generation kann gar ohne jegliche Anweisungen einen Hydranten überspielen. Und das war bei Gott nicht immer so!

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Was also braucht ein guter Teamchef? Nun gut, da wäre das taktische Verständnis. Doch bei allem Respekt vor Herrn Koller – diese Eigenschaft ist kaum einem Trainer dieser Welt abzusprechen. Klar, Abstufungen gibt es immer, taktische Fußball-Revolutionen aber auch längst nicht mehr. Ein gutes Grundgerüst, dazu die eine oder andere Finesse – und fertig ist der Taktiker.

Noch ein wichtiges Werkzeug eines guten Trainers – und das hat Koller sicher in seinem Kasten – ist ein G’spür für das Zwischenmenschliche. Der Häuptling muss es schaffen, seinen Stamm bei Laune zu halten. Er muss es schaffen, dass seine Indianer zu ihm aufschauen, darf aber kein Diktator sein. Und er muss es schaffen, die wilden Pferde in seiner Herde zügeln zu können – Arnautovic lässt grüßen!

Natürlich, Marcel Koller kann das. Und der Schweizer macht auch einen wirklich guten Job. Aber er ist kein Wunderwuzzi, sondern ein Wegweiser – und als solcher notfalls auch ersetzbar.      Alexander Tagger