Ein Schweizer für Österreich, das sorgte im Herbst 2011 für breite Erregung, vor allem in der heimischen Fußball-Promi-Szene. Ex-Teamchefs und -Spieler bzw. Trainer sahen in der Bestellung von Marcel Koller zum Nationaltrainer einen Affront gegen das rot-weiß-rote Selbstverständnis und hätten vor allem gern einen Österreicher wie Andi Herzog in diesem Amt gesehen. Neben Herbert Prohaska, Hans Krankl und Toni Polster (siehe rechts) gehörte auch Werner Gregoritsch zu den Kritikern. „Wenn schon einer aus dem Ausland, dann jemand, der eine Reputation hat wie Arsene Wenger“, sagte er in einer TV-Diskussion und ergänzte. „Dann kommt der Marcel Koller, mit dem viele nichts anfangen können.“ Wenige Monate später war Gregoritsch Unter-21-Teamchef. „Ich wurde gefragt und habe gesagt, dass es mich interessiert“, sagt der Steirer. „Es ist alles ausgeräumt, ich habe mich aber nie rechtfertigen müssen, weil es mir nicht um die Person Koller ging. Wir haben ein sehr korrektes, fast freundschaftliches Verhältnis und ich bin der erste U-21-Trainer, der bei der A-Teamkader-Besprechung dabei sein darf“, so Gregoritsch. Legendär damals Kurt Jara: „Das Anforderungsprofil hätte für mich besser gepasst.“

Werner Gregoritsch
Werner Gregoritsch © APA/ERWIN SCHERIAU

Was sie damals sagten und wie sie es heute beurteilen:

Herbert Prohaska:
Damals:Mit Marcel Koller wurde ein Trainer geholt, den der Großteil in Österreich wahrscheinlich nicht kennt, und der zwei Jahre nicht gearbeitet hat. Ich hätte mir eine andere Lösung gewünscht, dass man einen jungen Mann holt wie Andi Herzog. Ich hoffe, dass ich mich total irre. Aber es ist für ihn wesentlich schwieriger als für einen Österreicher oder einen, der den österreichischen Fußball sehr gut kennt. Er wird den Bonus, den andere gehabt hätten, nicht bekommen.
Heute:Ich habe damals den Teamchef von seinen Qualitäten her nicht gekannt. Ich war für eine österreichische Lösung. Heute muss ich sagen; Keiner von uns hat Recht gehabt. Der ÖFB hat die richtige Entscheidung getroffen, Marcel Koller liefert eine super Arbeit ab. Das Nationalteam ist unser Aushängeschild, er hat eine unglaubliche Euphorie ausgelöst. Er hat auch enorm viel Mut gezeigt und an seinem Kader festgehalten, er ist kein Weichspüler.

Herbert Prohaska
Herbert Prohaska © GEPA pictures

Toni Polster:
Damals:Die Leute halten das für eine total unglückliche Entscheidung, sind enttäuscht und frustriert. Und ich kann das auch nachvollziehen, denn ich glaube auch nicht, dass es eine glückliche Entscheidung war.
Heute:Ich muss sagen, sie sind auf einem guten Weg. Das Team ist erwachsen geworden. Man muss trotzdem vorsichtig sein, es gibt noch drei schwere Auswärtsspiele. Koller hat einen Klassejob gemacht. Dass er etwas kann, steht außer Frage. Ich habe ja nicht gesagt, dass er ein Blinder ist.

Toni Polster
Toni Polster © GEPA pictures

Hans Krankl:
Damals:Unser Kurt Jara, unser Paul Gludovatz und unser Andreas Herzog können nicht Teamchef werden, weil sich der ÖFB für Marcel Koller entschieden hat. Bei allem Respekt, was macht ihn qualifizierter als die österreichischen Trainer? Ich war immer für eine österreichische Lösung. Stutzig macht mich, dass ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner mehr Kompetenzen verlangt. Wie soll das bitte funktionieren? Beim A-Team kann nur einer das Sagen haben – der Teamchef. Der lässt sich keine Leute aufschwatzen. Wenn Koller mit dem wirklich einverstanden war, kann er nicht der richtige Mann sein.
Heute:Ich stehe zu meiner Meinung, die ich seit der Bestellung von Marcel Koller vertrete. In Österreich sollte ein Österreicher das Amt des Teamchefs innehaben. Das hat allerdings nichts mit der Person Marcel Koller zu tun, soll ihn also in keiner Form abwerten. Koller hatte das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Er hatte das Glück, eine Mannschaft übernehmen zu können, die aus guten Legionären bestand, die aber als Team nicht optimal funktionierten. Koller hat aus ihnen ein gutes Nationalteam geformt, was für seine Qualitäten als Trainer spricht. Aber noch einmal: In österreich sollte ein Österreicher das Team betreuen.

Hans Krankl
Hans Krankl © GEPA pictures

HUBERT GIGLER, ACHIM SCHNEYDER