Er sieht aus wie ein amerikanischer Vorstadt-Rapper. Pulli, die Kapuze über den Kopf gezogen, das Haupt gesenkt, Jogginghose. Mit ernster Miene stapft er zum reservierten Tisch im „Bulls Corner“, dem Restaurant im Red-Bull-Stadion. Langsam hebt er den Kopf, zieht die Kapuze zurück und dann sagt Jonatan Soriano ganz freundlich: "Hallo, wie geht’s?"

Danke, gut, und Ihnen?
SORIANO: Nicht so gut, ich mag diesen Regen gar nicht. Das ist einfach nicht mein Wetter. Ich weiß, Kälte und Schnee gehören hier in Österreich dazu, aber ich habe mich noch nicht richtig daran gewöhnt.

Sie vermissen Spanien und das südliche Klima?
SORIANO: Ich brauche keine 30 Grad, aber ich vermisse die Sonne, das Meer und ein paar Freunde. Aber sonst gefällt es mir hier richtig gut. Vor allem in der Mannschaft habe ich Freunde gefunden. So habe ich zu Leiti (Christoph Leitgeb, Anmerkung) ein sehr gutes Verhältnis. Er ist ein spezieller Mensch. Sein Charakter, seine Ausstrahlung – ich kann ihm nie böse sein, niemals. Er ist etwas Besonderes.

Sie sind auch etwas Besonderes, sagen Kollegen.
SORIANO: Ja? Nein, ich bin ein ganz normaler Mensch wie jeder andere auch.

Zumindest als Fußballer sind Sie außergewöhnlich.
SORIANO: Als Stürmer stehe ich mehr im Mittelpunkt. Gut, aber das ist auch mein Job, ich muss Tore schießen. Aber ich spiele vor allem für die Mannschaft, das ist wichtig.

Welchen Stellenwert nimmt Fußball in Ihrem Leben ein?
SORIANO: Als Kind war ich Karatekämpfer. Ich bin erst mit sechs Jahren zum Fußball gekommen. Ich hatte gedacht, dass ich als Fußballer eine bessere Zukunft habe, und mich deshalb dafür entschieden. Und ich denke, ich habe die richtige Entscheidung getroffen. Mehr als Fußball zählt aber die Familie.

Kann man bei vier Frauen im Haus – Gattin Cristina und drei Töchter – überhaupt noch der Chef im Haus sein?
SORIANO: Das geht nicht. Der Boss ist meine Frau. Cristina ist für mich etwas ganz Besonderes. Sie hat es nicht leicht, hat viel Arbeit und deshalb hier nicht so viele Freunde. Und trotzdem ist sie immer so gut drauf. Sie ist der wunderbarste Mensch und sie ist immer für mich da – und für meine Töchter natürlich.

Welche Rolle spielen Sie zu Hause? Singen Sie etwa Gutenachtlieder?
SORIANO: Ich bin Fußballspieler, okay. Aber zu Hause bin ich Mann und Papa. Ja, ich darf am Abend auch Lieder singen. Es ist gut, dass mich nur meine Töchter dabei hören.

In welcher Sprache singen Sie?
SORIANO: Meine Töchter sprechen sehr gut Deutsch, meine Frau weniger. Ich singe spanisch oder katalanisch.

Wie viel Österreicher steckt schon in Ihnen?
SORIANO: Mein Herz ist noch nicht österreichisch. Aber ich habe sehr viele Freunde hier, ich fühle mich auch sehr wohl in Salzburg. Ich wünsche der österreichischen Nationalmannschaft, dass sie zur EM-Endrunde kommt und dass die Klubs international spielen.

International ist ein gutes Stichwort. Was bedeutet für Sie Ihr Heimklub FC Barcelona?
SORIANO: Das ist eine Familie und für mich ein ganz besonderer Klub, dem ich immer verbunden bleiben werde.

Verfolgen Sie jedes Spiel in der Primera Divison?
SORIANO: Nein. Es sind nicht alle Spiele interessant. Cordoba gegen Granada muss ich nicht unbedingt sehen. Außerdem muss ich auf meine Töchter schauen. Wenn um 21 Uhr gespielt wird, kann ich dabei sein, dann schlafen sie schon. Aber vorher geht das nicht.

Ich habe gelesen, Sie wollen Modedesigner werden?
SORIANO: Ich weiß nicht, wer so eine Dummheit schreibt.

Aber Ihr Aussehen ist Ihnen schon wichtig?
SORIANO: Mir ist es wichtig, aber für mich, meine Frau und meine Töchter, nicht für andere. Aber ich brauche kein Gel in den Haaren oder muss mich lange föhnen. Gute Kleidung ist okay.

Und Tattoos?
SORIANO: Ja, ich habe einige. Manche einfach so, weil sie mir gefallen, und andere haben eine Bedeutung für mich.

Sie sind seit drei Jahren in Österreich. Lockt Sie nicht eine andere Liga?
SORIANO: Im Fußball kann man nichts voraussagen. Ich kann morgen schon bei einem anderen Klub sein, ohne dass es mein primäres Ziel ist. Aber Faktum ist, dass ich mich hier in Salzburg sehr wohlfühle. Nur eines weiß ich. Am Ende meiner Karriere werde ich zurück in meine Heimat gehen.

Welche Bedeutung hat Graz für Sie?
SORIANO: Mein erstes Spiel in Graz werde ich nicht vergessen. Die ganze Tribüne hinter dem Tor hat ständig gesungen. Das kannte ich nicht. In Spanien gibt es so etwas nicht. Dort gibt es auch tolle Fans, aber nicht solche wie bei Sturm Graz. Das war beeindruckend. Wir möchten in Graz gewinnen. Ich möchte immer gewinnen, egal wo und wie. Deshalb bin ich Stürmer.

Wollen Sie nach Ihrer aktiven Karriere im Fußballgeschäft bleiben?
SORIANO: Ich habe mir noch keine konkreten Gedanken gemacht, aber ich denke ja.

Dann werden Sie Ihren Freund Pep Guardiola um Rat fragen, mit dem Sie vor wenigen Wochen im Hangar-7 essen waren?
SORIANO: Ich kenne ihn und seine Telefonnummer habe ich auch. Aber was die Zukunft bringt, kann ich aktuell nicht sagen.

INTERVIEW: PETER KLIMKEIT