Herr Ruttensteiner, wie beschreiben Sie Ihr Jobprofil?
WILLI RUTTENSTEINER: Die Aufgabe eines ÖFB-Sportdirektors ist die Entwicklung des Fußballs im Land. Dazu gehören der Breitenfußball, die Trainerausbildung, die Talententwicklung hin zum Profifußball und die Nationalmannschaften mit dem A-Team an der Spitze.

Wird die aktuelle Struktur beibehalten oder ist mit ständigen Modifikationen zu rechnen?
RUTTENSTEINER: Bei einem Kongress in Bratislava habe ich kürzlich festgestellt, dass wir mit unserer Struktur weit sind, aber es gibt immer was zu optimieren.

Wie sehen die Kernpunkte dieser Struktur aus?
RUTTENSTEINER: Dazu gehört einmal die Talentepyramide. Wir haben den Kinderfußball, dann die Landesausbildungszentren von 10 bis 14, für die 14- bis 19-Jährigen die Akademien und dann in unseren beiden Ligen mit dem Österreicher-Topf sehr freundliche Lösungen für junge Profispieler, wo sie sehr früh Erfahrung sammeln können. Das wird international beneidet. Und ganz oben steht das Nationalteam, die Visitenkarte des österreichischen Fußballs. Und die ist momentan eine sehr gute.

Das ist Teamchef Marcel Koller zu verdanken, an dessen Berufung Sie erheblichen Anteil hatten. Wie kam der Schweizer in den Fokus?
RUTTENSTEINER: Ein wesentlicher Faktor war die deutsche Sprache, dann wird der Markt sondiert, du stößt auf die Schweiz und fast logisch auf den Namen Marcel Koller. Der hatte schon damals eine irrsinnige Reputation. Letztlich ist die Wahl auf ihn gefallen.

Würden Sie sagen, dass wir so eine Situation wie die aktuelle in Österreich noch nie vorfanden?
RUTTENSTEINER: Es ist schwer zu vergleichen. Auch eine 98er- oder eine 78er-Generation hat mit den Erfolgen den österreichischen Fußball weitergebracht. Das gilt genauso für die jetzige Generation. Aber zu sagen, das ist besser als damals, liegt mir fern. Ich glaube, dass die Gegenüberstellung nichts bringt.

Sagen Sie das nur aus Höflichkeit, um niemanden zu brüskieren?
RUTTENSTEINER: Nein. Es ist aber natürlich schon so, dass damals unter dem Titel österreichischer Weg eine völlig neue Strukturierung begonnen hat.

Aber auch die daran anknüpfende Entwicklung war doch eine neue Erfahrung, oder?
RUTTENSTEINER: Das hat es tatsächlich noch nie gegeben.

Ist die heutige Struktur auch geeignet, aus der aktuellen Situation einen dauerhaften Zustand herzustellen? Bisher hatten wir so etwas im Schnitt nur alle 20 Jahre.
RUTTENSTEINER: Da möchte ich zwei Punkte herausheben. Zum einen die Erfolge der Nationalmannschaften. Seit 2003 haben wir uns mit der U17 bzw. U19/U20 14 Mal für Endrunden, EM oder WM, qualifiziert. Das ist kein Zufall. Wenn die sich so weiterentwickeln, sind immer wieder Spieler da, die zur Nationalmannschaft stoßen. Der zweite Aspekt ist der, dass du eine gute Mannschaft haben kannst, es aber trotzdem keinen Erfolg gibt.

Aber der hat sich nun eingestellt.
RUTTENSTEINER: Ja, und dieser gebührt dem Teamchef, den Spielern und Betreuern. Wenn die Struktur passt und jemand da ist, der das umsetzen kann, dann kommt es zu der Situation, die wir derzeit in Österreich erleben.

Welche Anstrengungen werden unternommen, um Koller weiter längerfristig zu binden?
RUTTENSTEINER: Es ist logisch, dass man als ÖFB will, dass ein erfolgreicher Trainer weiterarbeitet. Jetzt stellt sich die Frage, wie weit das gehen kann. Und das ist sehr spannend. Es gibt keinen Grund, den Weg nicht weiterzugehen. Und wir strengen uns an.

Ist die Struktur so beschaffen, dass das Niveau auch im Falle eines Abgangs von Marcel Koller nach der Euro gehalten bzw. gesteigert werden kann?
RUTTENSTEINER: Ich glaube, die Struktur ist absolut gegeben. Man entwickelt ja für ein Jahrzehnt. Aber wir haben einen ausgezeichneten Trainer und ich traue ihm noch eine große Laufbahn zu. Ich habe viele große Trainer kennengelernt und er hat was Besonderes. Aber Marcel Koller fehlt noch etwas, nämlich eine Weltmeisterschaft. Und das sage ich ihm jeden Tag.

Also sind Sie zuversichtlich, dass er mit Österreich die nächste WM-Quali in Angriff nimmt?
RUTTENSTEINER: Ich glaube, dass es für einen Trainer eine Riesenherausforderung ist, ein Team zu einer Weltmeisterschaft zu führen und die zu erleben. Ich bin immer zuversichtlich.

INTERVIEW: HUBERT GIGLER