Vorige Saison noch in der dritten Liga, ab Sommer in der Serie A (Anm.: höchste italienische Liga): Der Steirer Robert Gucher ist als Kapitän maßgeblich am Durchmarsch des italienischen Klubs Frosinone beteiligt gewesen.
Einige Tage sind seit dem erstmaligen Aufstieg von Frosinone in die Serie A vergangen. Wie haben Sie diese erlebt?
GUCHER: Ein paar Mannschaftskollegen und ich haben die freien Tage genützt und den ersten Flieger nach Barcelona genommen.

Von der Euphorie in der Stadt haben Sie also nichts mitbekommen?
GUCHER: Doch, natürlich. Nach dem Aufstieg sind wir ja auch mit dem Bus durch die Stadt gefahren. Es ist unbeschreiblich, was sich da abgespielt hat. Schon in den Wochen zuvor waren viele Häuser in Frosinone mit blau-gelben Fahnen geschmückt.

Ist die 50.000-Einwohner-Stadt also fußballverrückt?
GUCHER: Seit den Play-offs in der dritten Liga, ja. Es ist eine große Euphorie ausgebrochen. Wir haben dadurch viel positive Energie bekommen, aber niemals Druck. Es wäre uns niemand böse gewesen, wenn wir nicht aufgestiegen wären. Die Stadt selbst hat nicht so viel zu bieten, der Fußball ist für die Menschen was Besonderes. Frosinone und Serie A in einem Satz, das ist für die Leute hier der Wahnsinn.

Wenn Sie, obwohl noch ein Spiel auszutragen ist, auf die Saison zurückblicken: Was war ausschlaggebend für den Durchmarsch von der dritten in die erste Liga?
GUCHER: Es war auf jeden Fall die emotionalste Saison meiner Karriere. Zuerst hat nur der Klassenerhalt gezählt, dann ist es aber so gut gelaufen und es war alles relativ einfach. Der Stamm der Mannschaft ist bereits seit drei Jahren zusammen. Wir sind wie eine Familie.

Mit Ihnen als „Familienoberhaupt“ . . .
GUCHER: Ja, ich habe letztens erst nachgezählt. In mehr als 20 Spielen war ich als Kapitän am Feld.

Sie haben gesagt, in der Serie B gibt es für Sie nur Frosinone. Wie schaut’s in der Serie A aus? Ihr Vertrag läuft noch bis 2017 . . .
GUCHER: Ich bin derzeit in einer einer Phase, in der ich einfach nur dankbar sein kann. Eines ist fix: Ich spiele im nächsten Jahr in der Serie A. Wenn es Angebote gibt, dann höre ich mir die auf jeden Fall an. Mein erster Ansprechpartner ist aber natürlich Frosinone.

Der Präsident von Lazio Rom, Claudio Lotito, hat klinere Klubs wie Carpi oder Frosinone zuletzt kritisiert. Sie würden die Liga kaputtmachen. Was sagen Sie dazu?
GUCHER: Nichts. Wir haben das nie kommentiert und werden es auch nicht tun. Außerdem wurde schon vor einiger Zeit entschieden, dass wir 2016/2017 ein neues Stadion bekommen. Unser Stadion (Anm.: das Matusa-Stadion in Frosinone fasst derzeit knapp 10.000 Zuseher) ist immerhin schon 83 Jahre alt. Aber nachdem der Klub das erste Mal überhaupt in der Serie spielt, soll die erste Saison unbedingt noch im Matusa gespielt werden. Zumal wir in den letzten zwei Jahren auch nur zwei Heimspiele verloren haben.

Worauf freuen Sie sich in der Serie A am meisten?
GUCHER: Zuerst hoffe ich, dass Juventus die Champions League gewinnt und wir in der neuen Saison gleich das erste Spiel gegen sie haben. Das wäre ein Traum. Aber ich bin einfach nur dankbar, mich ab Sommer mit solchen Vereinen messen zu dürfen. Jedes Spiel muss ein Genuss sein. Wir werden alles reinhauen. Ich hoffe, dass Andrea Pirlo nächste Saison noch am Platz steht. Ihm gegenüberzustehen, das ist ebenfalls ein Traum von mir.

Pirlo ist also Ihr Vorbild? Weil er die gleiche Position spielt wie Sie?
GUCHER: Nicht nur deswegen. Er hat einfach alles, was einen Spieler ausmacht – die Technik, das Auge. So einen Spieler wird es in dieser Form wohl nicht mehr geben.

Bevor Sie zu Frosinone gewechselt sind, haben Sie ja auch bei Pirlos ehemaligem Klub, dem AC Milan, ein Probetraining absolviert . . .
GUCHER: Genau, ich wäre dort aber für die zweite Mannschaft geplant gewesen. Das ist in Italien noch Jugendfußball, ich wollte damals aber im Erwachsenenfußball spielen. Nur der Name alleine war mir nicht wichtig, deshalb habe ich mich für Frosinone entschieden. Ich bereue keinen Schritt.

Wird mit der neuen Liga auch das Nationalteam ein Thema?
GUCHER: Es gibt einen Grund, warum ich mit rot-weiß-roter Kapitänsschleife spiele. Der Traum ist ein Anruf von Marcel Koller.

INTERVIEW: DANIEL JEROVSEK