Den Brexit-Schockwellen aus der Heimat begegnen Englands Fußballer bei der EM mit Abwehrhaltung. Während eine Reihe britischer Sportstars am Freitag ihr Entsetzen über den Austritt aus der Europäischen Union öffentlich machte, hielten die Three Lions an ihrer unpolitischen Linie fest. "Ich weiß nicht genug darüber, um besorgt zu sein. Und ich denke, den anderen geht es genauso", sagte Harry Kane.

Die Konzentration liege klar auf dem Turnier. "Ich bin aufgewacht und habe die Nachricht gesehen. Die Jungs reden darüber, aber wir sind nicht allzu fokussiert darauf. Wir versuchen, bei der EM weiterzukommen", erklärte der Premier-League-Torschützenkönig. Während der EM-Zeit hatten bereits Kapitän Wayne Rooney und Verteidiger Ryan Bertrand eine Positionierung in der Brexit-Frage vermieden.

Kein Vorteil durch Brexit

Die Engländer treffen am Montag im Achtelfinale auf Österreichs Gruppengegner Island. Der EM-Debütant erhofft sich durch die Thematik keinen Vorteil. "Ich denke nicht, dass dich das tangiert, wenn du bei so einer Endrunde bist. Es sollte die Spieler und den Trainer nicht beeinflussen", machte sich Islands Teamchef Lars Lagerbäck diesbezüglich keine Hoffnungen.

Genauso wie die Engländer schob das Thema am Tag vor dem Achtelfinale gegen Nordirland auch Wales-Teamchef Chris Coleman zur Seite. "Noch sind wir in Europa. Über alles andere reden wir, wenn wir zuhause sind", sagte der Coach.

Der frühere englische Nationalspieler Gary Lineker dagegen brachte gewohnt offen seine Meinung zum Ausdruck. "Verdammter Mist! Was haben wir getan", twitterte der heutige BBC-Moderator und gestand, er fühle sich beschämt von seiner Generation. Der einstige Topstürmer Michael Owen twitterte verdutzt: "Hätte nicht gedacht, mit diesen Neuigkeiten aufzuwachen."

"Eine Kampagne von Fälschungen und Lügen"

Auch der tschechische Nationaltormann Petr Cech, der seit langem in London lebt und dort nach Jahren bei Chelsea nun für Arsenal spielt, machte seinem Ärger Luft. "Es sieht so aus, als sei die bedeutendste Entscheidung in der Geschichte dieses Landes auf der Basis einer Kampagne von Fälschungen und Lügen getroffen worden", schrieb der Routinier.

Überrascht von der Entscheidung der Briten gegen die EU zeigte sich der deutsche Nationaltormann Manuel Neuer. "Ich kann nur sagen, dass man immer so ein Einheitsgefühl hatte und dass es ein bisschen schade ist, dass jetzt Großbritannien bzw. auch England nicht mehr dazu gehört." Italiens Abwehrspieler Giorgio Chiellini sieht im Votum der Briten das "Symptom einer generellen Unzufriedenheit in ganz Europa". Der Profi von Juventus Turin sorgt sich nun um den "Domino-Effekt, den diese Entscheidung auslösen könnte."

So mancher fühlte sich durch den Austrittsbeschluss an den US-Präsidentschaftswahlkampf erinnert. Weitsprung-Olympiasieger Greg Rutherford wetterte aus dem Trainingslager in den USA: "Ich gehe ins Bett. In einem Land, dass vielleicht Trump an die Macht bringt. Nachdem ich mit angesehen habe, wie Großbritannien das Unglaubliche getan hat. Böse Welt! Hör auf!" Und Golf-Topstar Rory McIlroy fragte: "So wie das mit dem Brexit und dem US-Präsidenten-Rennen läuft: Können wir es mit 2016 noch einmal neu versuchen?"

Der frühere Weltklasse-Leichtathlet Jonathan Edwards, dessen walisische Landsleute mehrheitlich für den Brexit stimmten, bekannte: "Ich fühle mich, als würde ich in einem fremden Land leben." Segel-Olympiasieger Ben Ainslie verglich die Abstimmung mit dem Kentern eines Schiffes: "Es ist Zeit, das Boot wieder klarzukriegen und gemeinsam in eine Richtung zu gehen." Für Lacher sorgte am Freitag der spanische Offensivspieler Nolito. "Ich glaube, es ist ein Tanz, oder liege ich da falsch. Ein Tanz, der in der NBA durchgeführt wird", äußerste sich der 29-jährige Noch-Celta-de-Vigo-Stürmer zur "Causa Prima".