Die Sperre gegen Blatter und Platini kann noch um maximal 45 Tage ausgedehnt werden, während dieser Zeit sind beide Top-Funktionäre von allen Fußball-Aktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene ausgeschlossen. Das teilte die rechtsprechende Kammer der Ethikkommission unter Vorsitz des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert am Donnerstag mit.

"Die Entscheidung der Ethikkommission basiert auf einem Missverständnis der Aktionen der Schweizer Bundesanwaltschaft", hieß es in der Stellungnahme von Blatters Anwälten. "Präsident Blatter ist enttäuscht, dass die Ethikkommission nicht dem Ethik- und Disziplinarcode gefolgt ist, die beide die Möglichkeit schaffen, angehört zu werden."

Auf einen möglichen Einspruch will Blatter aber verzichten und Urlaub im Heimatkanton Wallis machen. "Nein, es hat gar keinen Sinn das zu strecken", sagte sein Berater Klaus J. Stöhlker der dpa. "Er wurde jetzt fußballerisch gesagt an die Seitenlinie gestellt und er wird in 90 Tagen wieder da sein, denn er muss den großen FIFA-Kongress vorbereiten." Am 26. Februar soll sein Nachfolger gewählt werden.

Bis dahin rückt der ebenfalls skandalumwitterte und gesundheitlich angeschlagene Vizepräsident Issa Hayatou in das wichtigste Amt des Weltfußballs. Der Kameruner, ein langjähriger Blatter-Vertrauter, betonte sogleich, dass er den Posten nicht dauerhaft anstrebe.

Das UEFA-Exekutivkomitee hat in einer Stellungnahme am Donnerstagabend seinem Präsidenten Michel Platini den Rücken gestärkt. Das Gremium nominierte nach der am Donnerstag vom FIFA-Ethikrat ausgesprochenen 90-Tage-Sperre für Platini keinen Interimschef und wird zudem Einspruch gegen die Sanktion einlegen. Aktuell kann Platini allerdings durch das Urteil der rechtssprechenden Kammer des FIFA-Ethikgremiums nicht die UEFA-Geschäfte führen.

"Ich weise alle Anschuldigungen, die bloßer Anschein und erstaunlich vage sind, gegen mich zurück", teilte Platini am Donnerstagabend mit. "Ich weigere mich, zu glauben, dass dies eine hastige politische Entscheidung ist, die getroffen wurde, um einen lebenslangen Anhänger dieses Spiels zu beflecken oder meine Kandidatur als FIFA-Präsident zu zerstören."

Platini wird vorläufig satzungsgemäß vom Spanier Angel Maria Villar als UEFA-Boss vertreten. Ein Hoffnungsträger im Korruptionssumpf kann auch Villar nicht sein. Seit 1992 im UEFA-Führungszirkel und ebenfalls Blatter-Freund, genießt der 65-Jährige nicht einmal in seiner Heimat Vertrauen. Mit ihm gebe es keine neuen Ideen, keine Veränderungen, sagte der spanische Ligachef Javier Tebas einmal über Villar.

"Es ist für alle überraschend, dass sogar Platini suspendiert wurde. Dadurch ist eine völlig neue Situation entstanden, auch für die UEFA", sagte ÖFB-Präsident Leo Windtner. Die österreichische Mannschaft befand sich gerade auf der Anreise zum freitägigen EM-Qualifikationsspiel gegen Montenegro, als sie von der Entscheidung der Ethikkommission des Weltverbandes erfuhr.

"Jetzt muss das Krisenmanagement reagieren und dafür sorgen, dass Europa im Hinblick auf den 26. Oktober noch etwas zustande bringt", verlautete Windtner und fügte hinzu: "Jetzt ist das große Clean-Up gefragt, auch bei der UEFA." Sein deutscher Kollege, DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, formulierte dies noch drastischer: "Was heute passiert ist, ist der absolute Super-GAU, dass wir an der wichtigsten Stelle des Weltfußballs nun eine Führungslosigkeit haben." Niersbach forderte Blatter zum Rücktritt auf: "Das wäre ein Indiz für einen Neustart und ein Zeichen für jedermann, dass der Fußball wieder sauber wird", sagte er.

Auch Reinhard Rauball, der Präsident der Deutschen Bundesliga, und Thomas Bach, Chef des Internationalen Olympischen Komitees, forderten einen personellen Neuanfang. Die FIFA solle für die Nachfolge Blatters einen "glaubwürdigen, externen Präsidentschaftskandidaten mit hoher Integrität" erwägen, erklärte Bach.

Platini kämpft indes weiter um seine Kandidatur als FIFA-Präsident. Er habe am Donnerstagmorgen die nötigen Unterstützerstimmen für eine Bewerbung eingereicht, teilte der 60-jährige Franzose in einem schriftlichen Statement mit - kurz bevor das laut Statuten nicht mehr möglich gewesen wäre.

Mit der am Donnerstag ausgesprochenen Sanktion scheint schwer vorstellbar, dass es Platini gelingt, als suspendierter Präsident der UEFA die noch bevorstehende Prüfung der FIFA-Wahlkommission positiv zu meistern. "Vor 14 Tagen war noch alles klar. Er hatte über 100 Unterstützer, auch den DFB. Wir müssen die neue Situation bedenken. Vor allem muss er selbst entscheiden, ob er mit der Belastung die Kandidatur aufrechterhalten kann", sagte Niersbach und forderte wie der englische Verband unverzügliche Sitzungen der internationalen Spitzengremien bereits in der kommenden Woche.

Die Sanktionen gegen Blatter und Platini sind die Resultate der Ermittlungen der Ethik-Untersuchungskammer, detaillierte Gründe darf das Gremium nicht veröffentlichen. Zudem wurde FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke ebenfalls für 90 Tage suspendiert, Präsidentschaftskandidat Chung Mong-joon wurde für sechs Jahre gesperrt und muss 100.000 Schweizer Franken zahlen. Die Ermittlungen gegen den Südkoreaner waren im Jänner 2015 eröffnet worden, ihm werden Verstöße gegen vier Artikel des FIFA-Ethikcodes im Zusammenhang mit Südkoreas gescheiterter Bewerbung für die WM 2022 zur Last gelegt. Er war bis 2011 auch Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee und strebte wie Platini die Nachfolge Blatters an.

Die Schweizer Bundesanwaltschaft hatte vor zwei Wochen ein Strafverfahren gegen Blatter unter anderem wegen des Verdachts der "ungetreuen Geschäftsbesorgung" eingeleitet. Im Kern geht es um eine Millionen-Zahlung an Platini und TV-Geschäfte mit dem früheren FIFA-Vize Jack Warner, der WM-Rechte für die Karibik für 600.000 Dollar und damit deutlich unter dem Marktwert erhalten haben soll.

Von der UEFA gab es hingegen zunächst keine Stellungnahme. Platini hatte für Dienste zwischen Jänner 1999 und Juni 2002 erst knapp neun Jahre später von Blatter zwei Millionen Schweizer Franken erhalten. 2011 unterstützten die UEFA-Verbände unter der Führung von Platini den Schweizer im Wahlkampf gegen den Katarer Mohamed bin Hammam. Platini wurde von der Schweizer Bundesanwaltschaft als Auskunftsperson vernommen.