Nach jahrelangen Diskussionen sind die Gralshüter der Fußball-Regeln am Donnerstag doch über ihren Schatten gesprungen: Das International Football Association Board (IFAB) gab in Zürich grünes Licht für die Torlinien-Technologie im Fußball. Schiedsrichter bekommen damit erstmals technische Unterstützung. Und "Wembley-Tore"? Die gehören endgültig der Vergangenheit an.

"Hawk-Eye" und "GoalRef"

Das IFAB erlaubt sowohl das bereits beim Tennis erprobte Hawk-Eye zur Überwachung der Torlinie (Torkamera) als auch das sogenannte GoalRef-System (Chip im Ball). Beide technischen Hilfsmittel waren bereits in den vergangenen Monaten intensiv getestet worden. Die Entscheidung des Gremiums unter Vorsitz von Fifa-Präsident Joseph Blatter fiel einstimmig aus.

Allerdings soll der Einsatz der neuen Systeme auf Fifa-Ebene vorerst nur für die Club-WM im Dezember in Japan, den Confederations Cup 2013 und die WM 2014 in Brasilien gelten. Genehmigt wurde auch der weitere Einsatz von zusätzlichen Schiedsrichter-Assistenten. Jeder Veranstalter soll selbst entscheiden können, ob Torrichter eingesetzt werden.

Veranstalter und Ligen tragen die Kosten

Die infrage kommenden technischen Systeme müssen noch vom Weltverband zertifiziert werden. Mit der Entscheidung findet die jahrelange Diskussion über den Technik-Einsatz im Fußball aber wohl nur ein vorläufiges Ende. Denn nationale Verbände oder die österreichische Bundesliga müssen den Zeitpunkt für die Einführung selbst bestimmen - und die Kosten in erwarteter Millionenhöhe tragen.

Neue Nahrung hatte die Diskussion zuletzt bei der EM in Polen und der Ukraine erhalten, als England-Verteidiger John Terry im entscheidenden Gruppenspiel gegen die Ukraine (1:0) einen Ball mutmaßlich erst hinter der Linie klärte, der Treffer aber nicht zählte. Zwei Jahre davor waren die Engländer noch die Leidtragenden gewesen, als im WM-Achtelfinale gegen Deutschland (1:4) ein Lattenpendler von Frank Lampard klar hinter der Torlinie landete, der 2:2-Ausgleich aber nicht anerkannt wurde.

Premier League überlegt rasche Einführung

Erst seit den Fehlentscheidungen der WM 2010 in Südafrika zeigte sich auch Blatter aufgeschlossen gegenüber Torlinien-Technologien. Die Einführung könnte ob der hohen Kosten aber schleppend verlaufen. Zudem ist selbst Hawk-Eye nicht eindeutig, wenn ein Spieler auf dem Ball liegt. Die englische Premier League überlegt laut Verbandsvertretern dennoch, technische Hilfsmittel bereits in der kommenden Saison einzuführen.

Neben der Torlinien-Technologie und der weiteren Erlaubnis von Torrichtern nach Ablauf einer zweijährigen Testphase beschloss das IFAB in seiner Sondersitzung auch die Erlaubnis von Kopftüchern. Dieser Erlass betrifft vor allem Spielerinnen islamischen Glaubens. Art, Design und Farbe der erlaubten Kopftücher werden erst im Oktober bei einer weiteren Sitzung in Glasgow festgelegt. Zudem gilt auch für die Kopftücher eine Testphase.

Blatter: "Historischer Tag"

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Fifa-Präsident Joseph Blatter hat die Einführung technischer Hilfsmittel im Fußball als "absolut historischen Tag" bezeichnet. Sie sei gut für den Fußball und die Fans, betonte der Chef des Fußball-Weltverbandes am Donnerstag in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen.

"Es gibt keine Pflicht, aber für uns war es ein Muss", erläuterte Blatter die Entscheidung des Regelkomitees (IFAB), dem Vertreter des englischen, schottischen, walisischen und nordirischen Verbandes sowie der Fifa angehören.

"Der Fußball hat sein menschliches Gesicht behalten. Wenn man Hilfe hat, muss man die auch einsetzen. Für uns als Fifa war klar, was 2010 passiert ist, darf sich nicht wiederholen", sagte der Schweizer Blatter mit Blick auf Lampards "Phantom-Tor" im WM-Achtelfinale zwischen Deutschland und England.