Dankbarkeit ist in der internationalen Fußball-Politik eine durchaus ernst zu nehmende Kategorie. Als Michel Platini 2007 zum Präsidenten der Europäischen Fußball-Union gekürt wurde, hatte er dies zu einem beträchtlichen Teil den Stimmen aus Osteuropa zu verdanken. Die adäquate Gegenleistung folgte ein paar Monate später, denn da erhielten Polen und - was zuvor kaum jemand für möglich gehalten hatte - die Ukraine den Zuschlag bei der Vergabe der am Freitag beginnenden Europameisterschaft 2012.

Der Ausgang der Abstimmung mag gemäß den offiziellen Darstellungen als Sensation gegolten haben, ein Zufall war er nicht. Schließlich ist bei so einer EM viel Geld im Spiel, sehr viel Geld. Im teilweise komplizierten und verwirrenden Geflecht aus Wirtschaft, Politik und Sport können besonders persönliche Beziehungen nicht schaden. Moralische Bedenken werden da, sofern sie sich überhaupt über die kurz geschorenen Grashalme der Fußballfelder erheben, rasch wieder begraben. Als EM-Macher der Ukraine gilt Grigori Surkis, Chef des nationalen Verbandes. In den Neunzigerjahren war Surkis Eigentümer des damals wegen einer versuchten Schiedsrichterbestechung gesperrten Klubs Dynamo Kiew. Dennoch sitzt dieser Mann heute im Exekutiv-Komitee der UEFA und gilt als enger Vertrauter von Platini, der bald dem allmächtigen Joseph Blatter als Präsident des Weltfußballverbandes FIFA nachfolgen will.

Die UEFA ist ein schwerreiches Unternehmen und permanente Geldvermehrung gilt als stärkste Disziplin. Eine Europameisterschaft hilft da ungemein, unabhängig davon, wie sich die Lage in den Ländern vor allem nach dem Großereignis entwickelt. Knapp 1,4 Milliarden Euro soll der europäische Verband durch die EM nach vorläufigen Berechnungen einnehmen, das wäre ungefähr der Betrag wie 2008 bei der Euro in Österreich und der Schweiz.

Keine Ausschreibung

Offen ist, wie viel auf dunklen Kanälen mit offiziell unbekannten Anlaufstellen weitergeleitet wird. Die Geldzapfhähne wurden jedenfalls bis zum Anschlag aufgedreht und mitunter auch weit darüber hinaus. In Polen sollen durch die Europameisterschaft nicht weniger als 22 Milliarden Euro umgesetzt werden. Ungefähr die Hälfte wird für die Ukraine veranschlagt, aber das ist mehr als dreimal so viel wie ursprünglich errechnet. Seit der Amtsübernahme von Präsident Viktor Janukowitsch vor zwei Jahren sind die Kosten explodiert. Dass für große Bauaufträge keine Ausschreibungen mehr nötig waren, erleichterte den Fortschritt bei der EM-Entwicklung ungemein und Oligarchen wie der starke Mann des ostukrainischen Austragungsortes Charkiw, Alexander Jaroslawskij, durften ihre Geschäfte weitgehend ungehindert abwickeln. Ein weiteres Beispiel für ungebremste Preisentwicklung ist das Stadion in Lemberg, das plötzlich mit fast 300 Millionen Euro statt ursprünglich knapp 200 zu Buche schlug. Dass der ukrainische Vize-Premier Boris Kolesnikow jenem Baukonzern nahestehen soll, der den Auftrag an Land gezogen hatte, ist nur ein Detail am Rande.