Vom Regen in die Traufe kommt derzeit die sonst so stolze "Squadra Azzurra". Seit einer Woche wird Italiens Nationalmannschaft, der vierfache Weltmeister, von den Auswirkungen eines Wettskandals erschüttert. Es ist nicht der erste Skandal im italienischen Fußball der letzten Jahre, aber noch keiner hatte so direkten Einfluss auf das Nationalteam. Razzien, Verhaftungen und Verdächtigungen verhinderten bisher eine einigermaßen ruhige EM-Vorbereitung.

Und im einzigen Testspiel setzte es am Freitagabend eine erschütternde 0:3-Pleite gegen überlegene Russen. Zwar versicherte Teamchef Cesare Prandelli, dass "diese Niederlage uns eine Lehre sein wird". Andererseits hat Prandelli selbst seine Mannschaft noch am Spieltag zusätzlich verunsichert. Bevor es in Zürich gegen Russland ging, hatte der Coach für weltweites Staunen gesorgt. In Bezug auf den immer peinlicher werdenden Wettskandal hatte Prandelli nämlich erklärt: "Wenn es unserem Fußball helfen würde, dass wir nicht zur Europameisterschaft fahren, wäre es für mich kein Problem."

Kein EM-Verzicht

Italiens Verbandspräsident Giancarlo Abete ruderte bereits wieder zurück und beeilte sich klarzustellen: "Unsere EM-Teilnahme ist in keiner Weise in Gefahr. Prandelli hat das nur so dahergesagt." Aus den Negativschlagzeilen bringt das die "Squadra" aber auch nicht mehr. "Was für eine Blamage", titelte etwa "Tuttosport" nach dem 0:3 von Zürich. Und die "Gazetta dello Sport" forderte: "Erst Chaos, dann Ohrfeigen. Wach auf, Italien!" Schlechter hat noch selten eine italienische Mannschaft vor einem großen Turnier dagestanden. Dazu passt auch, dass sich sogar Premierminister Mario Monti schon kräftig an der "Selbstzerfleischung" beteiligt hat, als er laut darüber nachdachte, den Profi-Fußball in Italien für zwei, drei Jahre überhaupt komplett einzustellen, um wieder für Ruhe zu sorgen.

Wie ernst Monti das wirklich gemeint hat, ist nicht ganz klar. Prandelli hat mit seiner Anregung zum EM-Verzicht aber sicher auch provozieren wollen. Weil immer neue Gerüchte um Wettskandal-Verstrickungen seiner Spieler eine vernünftige Arbeit mit dem Team quasi unmöglich machten. Nach einer Razzia im Teamcamp am Pfingstmontag musste Verteidiger Criscito wegen Verdachts des Sportbetrugs aus dem Kader gestrichen werden (Criscito beklagte sich mittlerweile darüber, vorschnell eliminiert worden zu sein).

Buffon im Visier

Dann war plötzlich Juve-Abwehrspieler Bonucci verdächtig und inzwischen auch (wieder einmal) das für seine Wettleidenschaft bekannte Torhüter-Denkmal Gianluigi Buffon. "Basta!", rief Teamchef Prandelli da verärgert - "Es reicht!"

Die einzig positive Nachricht der letzten Tage kam zufällig auch von Buffon. Gegen die Russen wegen Schulterproblemen ausgetauscht, gab er jetzt Entwarnung. Eine EM-Teilnahme sei nicht in Gefahr. Dafür verärgerten ihn erneute Vorwürfe über eine Verwicklung in Wettgeschäfte. Er habe nicht gewettet, sondern über einen Freund andere Finanzgeschäfte abgewickelt. "Ich mache mit meinem Geld, was ich will", fauchte Buffon hinterher. So oder so, die Optik ist fatal - nicht nur bei Buffon.