Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), hat eine kurzfristige Verlegung von Spielen der Fußball-EM aus der Ukraine nach Deutschland erneut kategorisch ausgeschlossen. "Mit dem Gedanken beschäftigen wir uns keine Sekunde", sagte Niersbach der "Bild" (Feiertagsausgabe am Dienstag). "Die Menschen in der Ukraine haben diese Europameisterschaft verdient", fügte Niersbach hinzu.

Zuvor hatte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, Spekulationen über eine Rolle des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) als Teilausrichter der Europameisterschaft angeheizt und sogar von einem bereits bestehenden "Alternativplan" gesprochen. Beim DFB und auch im Bundesinnenministerium konnte man dies aber nicht bestätigen.

Niersbach erteilte auch Überlegungen über einen Boykott der EM (8. Juni bis 1. Juli) eine klare Absage. "Es sind sich ja alle Entscheidungsträger einig darin, dass ein sportlicher Boykott der Europameisterschaft nichts bringen würde, mehr noch: der ukrainischen Bevölkerung sogar schadete", sagte Niersbach der Wochenzeitung "Die Zeit". Sollte sich die Lage in der Ukraine weiter zuspitzen, könne er sich jedoch vorstellen. "im Zusammenspiel mit der Uefa (...) entsprechende Zeichen", zu setzen.

Unterdessen hat Niersbachs Vorgänger Theo Zwanziger angekündigt, während der EM nicht in die Ukraine reisen zu wollen. "Ich selbst habe entschieden, keine Spiele in der Ukraine zu besuchen, weil ich es nicht gut finde, was dort politisch passiert", sagte Zwanziger der "Bild". Der 66-Jährige ist Mitglied der UEFA-Exekutive.

Bach: "Keine Option"

Auch DOSB-Präsident Thomas Bach hat vereinzelte Forderungen aus der deutschen Politik, die in der Ukraine geplanten Spiele der Fußball-EM nach Deutschland zu verlegen, scharf verurteilt. Dies sei "keine Option", erklärte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) am Dienstag. "Die Forderung zeugt von großer internationaler Respekt- und Instinktlosigkeit, weil sie über die Köpfe selbst des Mitgastgeberlandes Polen aber auch der anderen europäischen Nationen und des Veranstalters UEFA hinweg erhoben wird", schimpfte Bach, gleichzeitig Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).

Der deutsche Spitzenfunktionär wertete die Forderung sogar als störend. "Sie ist im Übrigen kontraproduktiv, weil sie sich auch gegen den erkennbaren Willen des ukrainischen Volkes richtet und dazu benutzt werden kann, von der politischen Diskussion über die Menschenrechte in der Ukraine abzulenken", sagte Bach und stellte klar: "Schon aus diesen Gründen ist die Verlegung von Spielen nach Deutschland keine Option."

Unterdessen hat die Europäische Fußball-Union (UEFA) ukrainische Vertreter bei einem Treffen zur EM 2012 aufgefordert, die relevanten Behörden über internationale Sorgen zu informieren. Sie habe die Delegation des Co-Gastgebers der EM bei einer Sitzung der Steuerungsgruppe im schweizerischen Nyon auf die "von europäischen Politikern und Medien geäußerten Bedenken" aufmerksam gemacht, teilte die UEFA mit. Zudem rief sie die ukrainische Delegation auf, "die zuständigen Behörden auf diese Bedenken hinzuweisen".

Dabei bekräftigte der europäische Verband die Sicherheitsgarantie für das Turnier, das vom 8. Juni an auch in Polen stattfindet. Man habe von den Regierungen beider Ausrichterländer "die eindeutige Zusicherung, dass alle für die Sicherheit der Besucher - von den Fans bis hin zu den Spielern - notwendigen Maßnahmen ergriffen" worden seien. Darüber hinaus seien alle wichtigen Einrichtungen wie Stadien und Flughäfen bereit. An dem Treffen am Montag nahmen neben UEFA-Präsident Michel Platini unter anderem auch Regierungsvertreter aus Polen und der Ukraine, die Präsidenten der beiden nationalen Fußball-Verbände und Turnierdirektoren teil.