In den vergangenen Wochen konnte Österreich nur zweierlei beschäftigen: Die Posse um den Moderator einer (öffentlich-rechtlich finanzierten) Gossip-Sendung, der unfreiwillig etwa 1,80 Meter zu Boden ging. Und natürlich der (gänzlich freiwillige) Stratosphären-Sprung aus 39.045 Metern Höhe, den der Salzburger Extremsportler Felix Baumgartner hinlegte. Letzterer fasziniert wirklich - war doch der Beweis auf perfekt inszenierte Weise erbracht: Man kann als Mensch nicht nur seine Gedanken sehr weit fliegen lassen.

Die "andere Mondlandung"

Die Österreicher fanden es geradezu unmöglich, ihre Kinnladen wieder nach oben zu bekommen. Zu unfassbar war es, einen Menschen, am Fernseher ein paar Hundert Pixel klein und um die eigene Achse wirbelnd, im freien Fall und in wenigen Sekunden viele Kilometer zurücklegen zu sehen: Das Meisterstück eines exzessiv selbstbewussten Ausnahmekönners, keine Frage. Eine spektakuläre, präzise gesetzte Landung eines Weltkonzerns, auch in Sachen Marketing. Es war ein bisschen wie die Mondlandung unter umgekehrten Vorzeichen - für jene, die 1969 noch zu klein waren oder in Abrahams Wurstkessel schwammen. Plötzlich hielten sogar jene, die sonst niemals eine Dose Mateschitz trinken, Red Bull für unentbehrlich und das Maß aller Dinge.

Österreich möchte für gewöhnlich bestenfalls einen Gutteil seiner Politiker gen Weltenall schicken (Frachtraum-Klasse, One-Way, kein Upgrading). Dass man nun für gewisse Zeit dem erdnahen Mief entkommen konnte und alle im Land plötzlich "Stratos" sein durften, auch wenn einem sonst schon ein Sprung vom Fünf-Meter-Brett Muffensausen bereitet: eine völlig neue, bewusstseinserweiternde Erfahrung - Österreich als Land der Überflieger, diese Reise macht(e) man gerne mit! Doch nicht nur hierzulande hob man etwas ab: Für einen gewissen Ban Ki-moon ist Baumgartner gleich "der mutigste Mensch der Welt". Dabei vergaß er möglicherweise auf jene Spezies Mensch, die als Brotberuf (oder ehrenamtlich) Tag für Tag das eigene Leben auf das Spiel setzt, um anderen in Not zu helfen. Gut, dieser Ban Ki-moon ist ja auch nur der amtierende UNO-Generalsekretär.

Endlich einmal eine gute Nachricht aus einer Region, bei der man sonst nur an die dünn gewordene Ozon-Schicht denkt! Andere wollten trotzdem tiefer gehen: Eine Bunt-Gazette glaubte, Österreich über das Intimleben des Überspringers gleich auf mehreren Doppelseiten aufklären zu müssen und listete die Frauen im Leben des (nun pensionierten) Stratosphären-Springers auf. Daneben seriösere Berichte in Online-, Print- und Fernsehmedien, selbstredend: Österreich ist ein Land, dessen Superstar-Dichte so gering ist wie die Luftmenge in der äußeren Erdatmosphäre - der Ruhm eines Arnold Schwarzenegger ist dann für viele doch schon etwas in die Jahre gekommen. Auch wenn dieser jenseits der 65 bald wieder als "Conan" das Schwert schwingen möchte.

Promotion-Motor brummt

Der Promotion-Motor brummt - freilich lauert eine Gefahrenquelle: Wie das in Österreich so üblich ist, wird ein Superstar danach zu allen Themen interviewt. Das Schicksal als "Experte für eh alles" scheint nicht mehr allzu fern. Ob die üblichen Verdächtigen (Ex-Formel-1-Rennfahrer, Ex-Ski-Rennläufer, sie wissen Bescheid), so mir nichts, dir nichts Platz machen würden, ist allerdings fraglich. Die werden hierzulande auch nur alle Jahrzehnte einmal ausgetauscht. Fragen zur Spaltung schwerer Atomkerne, zur Beseitigung der Finanzkrise und zur Heilung unheilbarer Krankheiten dürften nicht mehr lange auf sich warten lassen. Vernünftige Antworten darauf eventuell schon.

Freuen wir uns noch ein wenig über Höhenflüge wie diesen, sie kommen selten genug vor. Doch zu ebener Erde bleibt unterdessen noch genug zu tun. Mehr als genug.