Es ist kurz nach dem Fest und in der West Edmonton Mall ist die Hölle los. Zehntausende drängeln sich im größten Einkaufszentrum in Nordamerika. Sie tauschen Weihnachtsgeschenke um oder jagen nach den letzten Schnäppchen des Jahres. Nur nicht bei "Jersey City" im zweiten Stock. Gerade mal eine Handvoll Kunden durchkämmen die Auslagen mit Trikots und Fanartikeln. Besonders billig sind in diesem Jahr Eishockey-Jerseys: "Kaufe zwei und spare 50 Prozent", heißt es auf einem roten Banner. Doch es nützt wenig.

600 Spiele hat die NHL mittlerweile gestrichen, viele Spieler überbrücken die Zeit bei Teams im Ausland. Geschieht nicht noch ein Wunder, ist die ganze Saison futsch. Millionen Fans in Kanada aber sind stinksauer. Sie verfolgen den "Lockout" mit wachsender Ungeduld und immer mehr wenden sich ganz von der NHL ab. Und das ausgerechnet im Mutterland des Eishockeys.

Einer im "Edmonton Journal" veröffentlichte Umfrage zufolge haben mittlerweile fast zwei Drittel der Kanadier das Interesse an der NHL verloren und gaben an, der Ausgang des Konflikts sei ihnen egal. Wie Matt McBride denken viele. "Im Moment bin ich nur noch wütend", meint der Familienvater. "In den letzten Spielzeiten habe ich mir die Oilers mehrmals live in der Arena angesehen. Doch selbst wenn die Saison irgendwann weitergeht, werde ich mir erst mal keine Tickets mehr kaufen." Zu tief sitzt seine Enttäuschung über die NHL, zu groß ist die Wut über das Verhalten von Eigentümern und Spielergewerkschaft.

Aufteilung des Kuchens

Bei dem Konflikt geht es um viel Geld. 3,3 Milliarden Dollar verdient die NHL jede Saison. Klubeigentümer und Spieler streiten seit Wochen um die Aufteilung des Kuchens. Viele Kanadier empfinden die Feilscherei als unanständig und ärgern sich über die finanziellen Dimensionen. Die Spieler etwa verdienen so viel wie nie zuvor. Aber auch den Eigentümern geht es prächtig. Gleichzeitig versuchen sie, so viele Investitionen wie möglich auf Steuerzahler und Fans abzuwälzen. In Edmonton streiten sich Verein und Gemeinde seit Monaten, wer die Baukosten für ein neues Eishockey-Stadion übernehmen soll. Unlängst drohten die Oilers sogar, Kanada zu verlassen und in die US-Metropole Seattle umzuziehen.

Der "Lockout" gefährdet mittlerweile den Ruf einer ganzen Sportart, denn er fällt in eine ohnehin kritische Zeit. Seit Superstars wie Sidney Crosby lange verletzt pausieren mussten, hat das Image der NHL gelitten. Monatelang diskutierte das Land über Gehirnerschütterungen und Body-Checks statt über das Geschehen auf dem Eis. Zwar ist die Sportart bei vielen Kanadiern nach wie vor sehr populär. Doch die Demografie verändert sich. Im Mutterland des Eishockeys lassen sich heute weniger Jugendliche als früher für Puck und Schläger begeistern. Und jetzt auch noch der Ausstand. Selbst wenn sich die Parteien einigen können (am Mittwoch wurde wieder verhandelt) ist offen, ob die NHL einfach so zur Routine wird zurückkehren können. Schon fordern viele Fans, der Liga den traditionsreichen Stanley Cup wegzunehmen, um den Pokal nächstes Jahr an ein erfolgreiches Amateurteam verleihen zu können.

Millionen-Verlust

Auch die ökonomischen Folgen sind beträchtlich. Jeden Tag ohne Spiel verliert jedes NHL-Team rund drei Millionen Dollar. Das ist auch in Edmonton zu spüren. Zum Beispiel im Fairmont Hotel, in dem normalerweise viele NHL-Gästeteams übernachten. "Wir mussten unsere Gewinnerwartungen reduzieren", berichtet Verkaufsdirektorin Lana Uytterhagen. Seit dem Herbst sind der Nobelherberge 600 Übernachtungen verloren gegangen. Sport-Kneipen müssen bis zu einem Drittel weniger Umsatz verkraften. Der Großbrauer und NHL-Sponsor Molson verkaufte in Kanada im Herbst fünf Prozent weniger Bier.

Es gibt aber auch ein paar Gewinner des Ausstands. Wie Vinay Morker, Sexshop-Besitzer in Edmonton. Weil im Fernsehen keine Eishockeyspiele laufen, hätten viele Männer wieder etwas mehr Zeit für Frauen und Freundinnen. Wegen des "Lockouts" verkaufe er rund 15 Prozent mehr Erotikwäsche und Sex-Artikel als letztes Jahr.