Die viertägige Sitzung brachte zahlreiche Formalfehler ans Licht, lieferte aber keine konkreten Hinweise auf Manipulationsversuche. Nächste Woche wird der VfGH noch Parteienvertreter hören, erst danach wird das Gericht eine Entscheidung treffen.

Die FPÖ hat die Wahl wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in 94 der 117 Wahlbezirke angefochten. Sie beantragte die Aufhebung und Wiederholung der Stichwahl vom 22. Mai, in der ihr Kandidat Norbert Hofer knapp gegen den Grünen Bewerber Alexander Van der Bellen unterlag - und zwar mit einem Rückstand von nur 30.863 Stimmen. Zu 20 besonders schwerwiegenden Fällen hatte der Verfassungsgerichtshof öffentliche Zeugenbefragungen angesetzt. Der Hauptvorwurf der FPÖ lautete, dass Wahlkarten zu früh (also vor der gesetzlichen Frist Montag 9.00 Uhr) geöffnet oder auch ausgezählt wurden.

Keine Manipulationsversuche

In den Befragungen der Zeugen (v.a. Mitglieder von Bezirkswahlbehörden) stellten sich diese Vorwürfe teilweise als richtig heraus, konkrete Manipulationen oder Manipulationsversuche hatte aber keine der Zeugen wahrgenommen. Allerdings betonte etwa eine FPÖ-Beisitzerin aus dem Bezirk Wien-Umgebung in ihrer Befragung am Dienstag, durch das vorzeitige Öffnen der Briefwahlkarten sei "Manipulation Tür und Tor geöffnet" worden. Gleichzeitig sagte sie aus, sie habe nicht den Eindruck gehabt, dass es Missbrauch gab.

Klar wurde in den Befragungen der letzten Tage auch, dass die vorzeitige Öffnung und Auszählung der Wahlkarten in den Protokollen der Wahlbehörden nahezu nirgends vermerkt wurde. Vielmehr wurden die (falschen) Protokolle anstandslos unterschrieben - und sogar Anwesenheit von Beisitzern wurde bestätigt, obwohl diese nicht stattgefunden hatte, wie etwa im Bezirk Villach-Land.

Auch am Donnerstag waren die vorzeitigen Auszählungen Thema bei den Zeugenbefragungen. Ein FPÖ-Beisitzer aus dem Bezirk Leibnitz zeichnete das bereits bekannte Bild: Die Briefwahlkarten wurden auch hier bereits am Sonntag ab 17.00 Uhr ausgezählt. Der Wahlleiter habe zuvor "angeboten", dies so handzuhaben, denn "dann ersparen wir uns den Montag", sagte der Zeuge. Dies sei "immer so gemacht" worden, und alle seien einverstanden gewesen. Unregelmäßigkeiten beim Auszählen der Stimmen sind ihm keine aufgefallen, sagte er. Der stellvertretende Bezirkswahlleiter von Leibnitz bestätigte diese Angaben, er schloss Unregelmäßigkeiten aus.

"Fehler" in Villach

Der Villacher Bürgermeister Günther Albel (SPÖ) gestand zuvor ein, dass beim Wahlvorgang "Fehler" begangen worden seien. Er bestätigte die Aussagen einer FPÖ-Vertreterin, wonach die Briefwahlstimmen bereits am Montag vor 9.00 Uhr gezählt wurden. Albel verwies auf einen Beschluss aus dem Jahr 2013, wonach Vorarbeiten geleistet werden können. Die Frage, ob er den Eindruck habe, diese Vorgangsweise gelte auch für eine Nationalratswahl, bejahte der Bürgermeister. Als Grund nannte er - wie schon zuvor zahlreiche andere Behördenleiter - Zeitmangel wegen der großen Zahl an Wahlkarten und dem öffentlichen Druck, rechtzeitig fertig zu werden.

Mit dem zeitlichen Druck hatte u.a. auch der Bezirkshauptmann vom Bezirk Graz-Umgebung begründet, dass die gesetzlichen Vorgaben seit 2013 nicht exakt eingehalten werden konnten. Hätte man die Auszählung "lege artis" gemacht, hätte allein das "Schlitzen" der Kuverts acht Stunden gedauert, sagte er bei seiner Befragung vom Mittwoch. Beim Wahlabteilungsleiter des Innenministeriums, Robert Stein, waren diese Schilderungen auf Unverständnis gestoßen: Bis zur Bundespräsidentenwahl habe er von derartigen Unregelmäßigkeiten nichts gewusst, sagte er.

Auch das vorzeitige Vorsortieren von Briefwahlkarten in nicht einzubeziehende und einzubeziehende Wahlkarten war am Donnerstag Thema. Im Bezirk Gänserndorf wurde zwar wie vorgesehen erst am Montag ausgezählt, vorsortiert wurden die Wahlkarten allerdings schon vor Montag 9.00 Uhr. Ein FPÖ-Beisitzer bestätigte seine entsprechende eidesstattliche Erklärung. Die vorsortierten Karten hätte er kontrollieren können, man habe aber auf die Bezirkshauptmannschaft vertraut. Unkorrekte Abwicklungen beobachtete der FPÖ-Beisitzer keine. Auch im Bezirk Reutte wurden die Wahlkarten vor der gesetzlichen Frist vorsortiert, wie ein FPÖ-Beisitzer kritisierte.

Beisitzer nicht erschienen

Offenbart hatte sich in den vergangenen Tagen auch, dass vielerorts Beisitzer am Montag oft gar nicht zur Auszählung erschienen sind. "Dass wir nicht anwesend sein müssen, das haben wir am Sonntag einstimmig beschlossen", gab etwa ein Beisitzer aus Schwaz bei seiner Befragung am Montag an. In Kitzbühel war beispielsweise nur ein einziger Beisitzer am Tag nach der Wahl zur Auszählung angetreten. Den Rest erledigten oft Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaften. Erst zur Bestätigung des Beschlusses am frühen Abend bemühten sich die meisten Beisitzer ins Amtsgebäude.

Wann der VfGH seine Entscheidung hinsichtlich der Wahlanfechtung bekannt geben wird, ist offen. Angesichts des geplanten Angelobungstermins von Wahlsieger Van der Bellen am 8. Juli ist das Gericht aber um eine rasche Entscheidung bemüht. Ob der vom VfGH ursprünglich angestrebte Termin am 6. Juli eingehalten werden kann, lasse sich erst nach Ende der öffentlichen Verhandlung sagen, sagte am Donnerstag VfGH-Sprecher Christian Neuwirth zur APA.

Fortsetzung nächste Woche

Nächste Woche - frühestens am Mittwoch - wird die öffentliche Verhandlung im VfGH fortgesetzt. Dabei werden die Vertreter der Präsidentschaftskandidaten Hofer und Van der Bellen zu Wort kommen - jene Hofers als Anfechtungswerber. Als Anfechtungsgegner geladen ist die Bundeswahlbehörde. Ob ein oder mehrere Tage verhandelt wird, ist noch nicht fix, auch nicht, ob es zu weiteren Beweisaufnahmen (Zeugenladungen) kommt, erklärte abschließend VfGH-Präsident Gerhart Holzinger. Am Wochenende zuvor werden die Verfassungsrichter die diese Woche gehörten Zeugenaussagen aufarbeiten, am Dienstag treten sie zu einer internen Beratung zusammen.