Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) reist am Mittwoch zur Eröffnung des Gotthard-Eisenbahntunnels in die Schweiz und wird dort zum ersten Mal auch seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel treffen. Dies verlautete am Montag aus Diplomatenkreisen in Berlin. Ein offizieller Besuch in Berlin kommt jedoch frühestens in der zweiten Juli-Hälfte zustande, hieß es.

Die Regierungszentralen in Wien und Berlin suchen noch nach einem passenden Termin für den Antrittsbesuch des dienstjüngsten EU-Regierungschefs bei der dienstältesten EU-Regierungschefin. Merkel ist in der ersten Juni-Hälfte durch Auslandsreisen und feste Inlandstermine nicht verfügbar. Mitte Mai hatte sie Bundespräsident Heinz Fischer empfangen, der ihr bei seinem Abschiedsbesuch in Berlin unter anderem vom Kanzlerwechsel berichtete.

Distanziertes Verhältnis

Kerns Vorgänger Werner Faymann (SPÖ) galt in der Flüchtlingskrise als engster Verbündeter der deutschen Kanzlerin, stieß diese aber im Jänner durch einen Kurswechsel vor den Kopf. Merkel übte daraufhin offene Kritik an der österreichischen Entscheidung, in Abstimmung mit den Staaten des Westbalkans den Flüchtlingsstrom an der mazedonisch-griechischen Grenze zu stoppen. Kern distanzierte sich von einer Abschottungspolitik nach ungarischem Vorbild, bekannte sich aber zu den umstrittenen Verschärfungen der Asylgesetze. Mit Spannung wird erwartet, welchen Ton Merkel ihm gegenüber anschlagen wird.

Der Gotthard-Tunnel ist der längste der Welt
Der Gotthard-Tunnel ist der längste der Welt © APA/AFP/SEBASTIEN BOZON

Die Eröffnung des längsten Bahntunnels der Welt am Mittwoch könnte auch zu einem kleinen EU-Gipfel werden. Merkel, der französische Präsident Francois Hollande und der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi werden zu den Staatsgästen zählen, die als erste durch den 57 Kilometer langen Basistunnel zwischen Erstfeld im Kanton Uri und Bodio im Tessin fahren werden.

Politische Beziehungskrise

Spitzenvertreter der EU-Institutionen wie Ratspräsident Donald Tusk oder Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker haben die Schweizer Einladung jedoch ausgeschlagen, berichtete die "Neue Zürcher Zeitung". Die Beziehungen zwischen Bern und Brüssel sind gespannt, weil die Schweizer Stimmbürger vor zwei Jahren für eine Deckelung der Personenfreizügigkeit für EU-Bürger gestimmt haben. Sollten dieses Volksvotum umgesetzt werden - eine entsprechende Frist läuft kommendes Jahr aus - will die EU die Schweiz vom gemeinsamen Binnenmarkt ausschließen.