"Servus TV gibt den Betrieb auf", hieß es in einer Aussendung, die am Dienstagvormittag in die Mailboxen schneite. Der Sender sei "wirtschaftlich untragbar geworden", so die Begründung: Obwohl man seit dem Start 2009 Jahr für Jahr einen nahezu dreistelligen Millionenbetrag in Servus TV investiert habe, "lässt sieben Jahre nach Einführung die aktuelle Markt- und Wettbewerbssituation keine wirklich positive Entwicklung erwarten. (...) Wir haben uns der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Geschäftsmannes entsprechend entschlossen, den Betrieb von Servus TV einzustellen."

Wann genau, blieb aber vorerst offen: "Der Sendebetrieb wird bis auf weiteres uneingeschränkt weiter laufen." Kolportiert wurde Ende Juni als endgültiger Schlusspunkt, wofür es keine Bestätigung gab. Das zu Dietrich Mateschitz' Red Bull Media House gehörende Unternehmen verwies außerdem auf die "Veränderungen am globalen Medienmarkt", die diese Entscheidung "bestärken" würden, weil "digitale Angebote die klassischen, linearen Programme verdrängen". Das Magazin "Servus in Stadt und Land" sei von dieser Maßnahme nicht betroffen.

Mehrere Medien schrieben am Dienstag, dass eine geplante Betriebsratsgründung der unmittelbare Auslöser für das Aus gewesen sei. Mateschitz bestätigte später, dass Initiativen zur Gründung eines Betriebsrats bei Servus TV mit dem Aus des Senders zusammenhängen. "Dass diese Vorgehensweise bei der Entscheidung in der aktuellen Situation nicht gerade dienlich war, ist evident", erklärte er in einem Statement gegenüber der APA.

In seiner Stellungnahme sprach Mateschitz davon, dass der Betriebsrat "anonym, unterstützt von Gewerkschaft und Arbeiterkammer" zustande gekommen wäre. Doch "Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und Unbeeinflussbarkeit insbesondere durch politische Parteien, egal welcher Richtung, war von Anfang an ein tragender Pfeiler von Servus TV", so Mateschitz. Diese hätte eine Betriebsratsgründung auf diesem Wege "nachhaltig beschädigt".

Gewerkschaft und Arbeiterkammer haben am Dienstagabend "fassungslos und entsetzt" auf die Aussagen von Mateschitz zum Ende von Servus TV reagiert. "Die jetzt an den Tag gelegte Haltung ist eines Herrn Mateschitz nicht würdig", erklärte Gerald Forcher, Geschäftsführer der GPA-djp Salzburg. "Wir leben in Österreich und nicht auf irgendeiner Bananenrepublik."

"Was soll an der Vorgehensweise über Betriebsratswahlen nachzudenken nicht dienlich sein?", fragt AK-Präsident Siegfried Pichler in der gemeinsamen Aussendung mit Forcher. Ihm platze der Kragen, wenn so über die betriebliche Mitbestimmung gedacht werde. Sich gewerkschaftlich zu organisieren sei ein Grundrecht.

Die beiden Arbeitnehmervertreter Forcher und Pichler stärken Mateschitz - und somit dem wichtigen Salzburger Arbeitgeber Red Bull - allerdings auch den Rücken. "Wir haben Herrn Mateschitz bislang als sehr verantwortungsvollen und ehrbaren Unternehmer geschätzt, der sich auch seiner sozialen Verantwortung stets bewusst war." Der laut "Forbes" reichste Österreicher sei für seine Weitsichtigkeit und besonnene Entscheidungen bekannt.

Dass Servus TV seinen Betrieb einstellt, sei auf die erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zurückzuführen, sind AK und GPA überzeugt. "Das ist der wahre Grund für das Aus bei Servus TV, und nicht weil einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über einen Betriebsrat nachgedacht haben." Den Vorwurf, dass die Betriebsratsidee von außen gesteuert worden wäre, weisen sie zurück. Eine Wahl würde aber unterstützt.

Die Servus-TV-Mitarbeiter reagierten am Dienstag geschockt. Zwei Dutzend Betroffene sollen sich vor dem Gebäude des Senders teils mit Tränen in den Augen in die Arme gefallen sein. Viele Mitarbeiter wie Redakteure, Moderatoren und Nachrichtensprecher stünden nun vor dem Nichts, einige hätten für ihren Job bei Servus TV ihre Zelte im In- und Ausland - vor allem Deutschland - abgebrochen und seien mit ihren Familien nach Salzburg gezogen, wurde erzählt. Auch zugebuchte Produktionsfirmen und Leiharbeiter stünden nun mit leeren Händen da. Erst vor rund zwei Wochen sei Mateschitz selbst in den Sender gekommen. Er habe mit den Mitarbeitern geredet und gemeint, alles laufe hervorragend.

Über 200 Mitarbeiter von Servus TV unterschrieben indes einen Offenen Brief, in dem sie sich gegen einen Betriebsrat aussprechen. "Die anonyme Umfrage über die mögliche Gründung eines Betriebsrates unterstützen wir - und das ist die überwältigende Mehrheit aller Mitarbeiter von ServusTV - ausdrücklich nicht", heißt es in dem der APA vorliegenden Schreiben.

"Wir wollen und brauchen keinen Betriebsrat", halten die Mitarbeiter fest. "Darüber hinaus verbitten wir uns ausdrücklich jedwede (auch gewerkschaftliche) Einmischung und Stellungnahme von außen." Ihnen sei kein Unternehmen bekannt, das einen derart sozialen und loyalen Umgang mit seinen Mitarbeitern pflegt, wie Servus TV bzw. Red Bull." Es gebe zudem mehrere Hinweise, dass die anonyme Initiative womöglich von außerhalb des Unternehmens angestoßen wurde.

"Es ist ein Schock" schreiben die Mitarbeiter zu der auch für sie überraschenden Entscheidung. "Sieben Jahre lang hatten wir die Gelegenheit an einer Vision von einem anderen Fernsehen mit zu bauen, das es so nirgendwo gibt und damit einzigartig ist. Ein Programm mit Anspruch, positiver Grundhaltung und politischer Unabhängigkeit. Weit weg von Trash und bad news."

Medienbranche und -politik reagierten gleichermaßen bestürzt. Medienminister Josef Ostermayer (SPÖ) bezeichnete die bevorstehende Schließung als "schmerzhaft". Er sei "betroffen" ob dieser "Schwächung des dualen Rundfunksystems".

Der Grüne Mediensprecher Dieter Brosz forderte eine Diskussion über die Förderung von öffentlich-rechtlichem Content. Er sieht nun als belegt, "wie dringend es auch für öffentlich-rechtliche Inhalte bei Privaten bessere Förderung braucht". Servus TV habe die Latte hoch gelegt, "am Programm konnte man den hohen Qualitätsanspruch bemerken".

RTR-Medienchef Alfred Grinschgl sprach von einem Verlust, der Verband Österreicher Privatsender sah ein "Alarmsignal" für die Medienpolitik. Die Mediensprecher von SPÖ und ÖVP äußerten Bedauern, die Opposition forderte Reformen.

ÖVP-Mediensprecher Peter McDonald bezeichnete das Aus für Servus TV als "sehr schade für die österreichische Medienlandschaft", hieß es in einem Statement. "Österreich verliert damit einen Sender, der durch qualitätsvoll aufbereitete Inhalte, aber auch Nischenprogramme eine große Bereicherung dargestellt hat."

Die FPÖ forderte in ihrer Reaktion eine Reform der TV-Finanzierung, denn Servus TV "entspricht in seiner Programmgestaltung und seinen Inhalten in weiten Teilen deutlich mehr dem Anspruch an einen öffentlich-rechtlichen Sender als der von Zwangsgebühren genährte ORF", wie Mediensprecher Herbert Kickl in einer Aussendung schrieb.

Auch NEOS-Mediensprecher Niko Alm findet, die Servus-Einstellung sei Anlass, über die Gebühren nachzudenken. Er sei "natürlich nicht erfreut, wenn ein privater Anbieter von öffentlich-rechtlichen Inhalten, ein Medium weniger im Markt angiert", meinte er auf APA-Anfrage. "Das zeigt einmal mehr, dass man darüber nachdenken muss, ob man nicht die Förderung öffentlich-rechtlicher journalistischer Inhaltsproduktion anders aufstellt als auf einen Öffentlich-Rechtlichen zu konzentrieren." Das Team Stronach forderte in Person von Mediensprecher Christoph Hagen ebenfalls ein "Umdenken" bei der ORF-Finanzierung.

Ferdinand Wegscheider, seit nicht einmal einem Monat Intendant von Servus TV, war vorerst nicht zu erreichen. Erst im April war es zu einer Rochade an der Senderspitze gekommen. Geschäftsführer Martin Blank ging nach rund sechs Jahren, der frühere Burgtheater-Direktor und interimistische Servus-Programmdirektor Matthias Hartmann gab die Programmagenden ab. Harald Maier übernahm die Kaufmännische Leitung.

Angetreten war Servus TV 2009 als Qualitätsfernsehen. Es erntete gute Kritiken und Preise, fuhr aber schwache Quoten ein. 2012 übersprang man erstmals die Ein-Prozent-Marke beim Marktanteil (Zielgruppe ab zwölf) auf 1,2 Prozent. 2013 und 2014 waren es 1,5 Prozent und 2015 1,7 Prozent, im April 2016 wieder 1,5 Prozent. Über 2 Prozent im Monatsschnitt gab's nicht allzu oft - etwa, wenn Felix Baumgartner für Red Bull aus dem Weltall auf die Erde sprang.